Dieser Abschluss ist angesichts der schwierigen Rahmenbedingungen keine Vollkatastrophe. Allerdings ist er selbst als Kompromiss nur schwer verdaulich, und zwar aus den folgenden Gründen.
Die 500-Euro-„Corona-Prämie“ (steuerfrei, auch für die Kapitalisten) entsprechen bei einem Facharbeiterlohn der Entgeltgruppe 8 etwa 1,3 Prozent des Jahresbrutto. Die gibt es nur 2021 als Einmalzahlung, fällig im Juni. Gleichzeitig verschiebt sich die Auszahlung des tariflichen Zusatzgeldes „T-Zug B“ (400 Euro) auf Oktober und kann bei wirtschaftlicher Schwierigkeit eines Unternehmens automatisch gestrichen werden. Für die Unternehmer eine feine Sache, denn es ist quasi ein Nullsummenspiel. Für die von Kurzarbeit gebeutelten Beschäftigten ist es nicht mal ein Tropfen auf den heißen Stein.
Auch die 2,3 Prozent, die, gerechnet auf den Bruttolohn, künftig monatlich als Transfomationsgeld festgelegt werden, sind nicht viel. Abgesehen davon, dass sie nicht in die reguläre Entgelterhöhung einfließen, könnte man auch sagen: Die Beschäftigten geben ihren „Arbeitgebern“ einen zinslosen Kredit über diesen Zeitraum – jedes Jahr aufs Neue.
Damit ist den Kapitalisten der Coup gelungen, dass sie nach dem „Corona-Notabschluss“ 2020 (Nullrunde) zum zweiten Mal in Folge keine Erhöhung der tariflichen Entgelttabelle hinnehmen mussten. Und die Absenkung der wöchentlichen Arbeitszeit zwecks Erhalt von Arbeitsplätzen (4-Tage-Woche) schreibt de facto die Verantwortung dafür in den ersten 12 Monate qua Tarifvertrag vor allem auf Seiten der Beschäftigten fest.
Natürlich kann man immer mehr fordern und solche Abschlüsse kritisieren. Am Ende geht es aber immer um das Kräfteverhältnis. Angesichts der Situation „Transformation trifft auf Corona“ hatte der Kapitalistenverband Gesamtmetall ein „Null-Angebot“ vorgelegt sowie massive Angriffe auf tarifliche Standards – wie zum Beispiel das Weihnachtsgeld – gefahren. Davon ist am Ende dank einer guten Tarifbewegung nicht viel übriggeblieben und das sollte bei einer Bewertung des Tarifabschlusses einbezogen werden.
Es bleibt allerdings die Frage offen, weshalb die IG Metall nicht noch eine Schippe draufgelegt hat. Die Beteiligung an den Warnstreiks war stark, das kreative Potential groß. Weshalb hat die Gewerkschaft auf das Mittel der 24-Stunden-Streiks verzichtet? Aus Angst, nach den Osterferien durch einen stärkeren Lockdown handlungsunfähig gemacht zu werden? Weil das zu erwartende Ergebnis eine solche (kostspielige) Maßnahme nicht gerechtfertigt hätte? Oder weil die Kampfkraft der potentiellen Streikbetriebe insgesamt nachgelassen hat?
Diese abzusichern und auszubauen ist in jedem Fall eine vordringliche Aufgabe für Gewerkschaften. Und seien wir ehrlich: zu viel Sozialpartnerschaft ist dabei nicht unbedingt hilfreich!