Ampel plant Vorratsdatenspeicherung durch die Hintertür. Amtsrichter sollen über Beiträge im Netz urteilen

Schweigen schützt vor Datenklau

Auf dem Parteitag der FDP am vergangenen Wochenende war viel die Rede vom längst überfälligen „digitalen Aufbruch“. Bundesjustizminister Marco Buschmann verkündete das Bevorstehen der „Bundesdigitalrepublik Deutschland“. Ein Blick in die von der Ampel-Koalition am 12. April vorgestellten „Eckpunkte zum Gesetz gegen digitale Gewalt“ macht anschaulich, wohin die Reise zum weiteren Abbau der Persönlichkeitsrechte gehen soll.

Als ob es nicht schon genug Gesetze zur Ausspähung privater Daten durch Polizei und Geheimdienste gäbe, beklagt Buschmann das Fehlen eines „effektiven Instruments zum Schutz vor notorischen Rechtsverletzern“ im digitalen Raum. Nachdem das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seinem Urteil vom 2. März 2010 die Speicherung von Nutzerdaten bei den Anbietern von Telekommunikations- und Internetdiensten auf Vorrat für unzulässig erklärt hatte, das bayerische Verfassungsschutzgesetz deshalb am 26. April 2022 vom BVerfG für verfassungswidrig erklärt wurde und zuletzt der Europäische Gerichtshof am 20. September 2022 unmissverständlich klargestellt hat, dass jede Speicherung von individuellen Verbindungsdaten einen schweren Eingriff in die Grundrechte der betroffenen Menschen mit sich bringt, will die Ampelkoalition nun in einem neuen Anlauf die Vorratsdatenspeicherung durch die Hintertür einführen. Unter dem Deckmantel des „Kampfs gegen Hasskriminalität“ sollen private Nutzer in Zukunft die Befugnis erhalten, bei digitalen Dienstleistern wie Facebook, WhatsApp oder Twitter sämtliche Nutzerdaten von böswilligen „Inhalteverfassern“ zu erlangen und anschließend deren Accounts sperren zu lassen.

Das Eckpunktepapier Buschmanns betont, dass es dabei nicht unbedingt um strafrechtliche relevante Äußerungen auf Internetplattformen geht, sondern um alles, was zu den „allgemeinen Persönlichkeitsrechten“ gehört. Dazu zählt das Justizministerium jeden „wahrheitswidrigen Nutzerkommentar“, Buschmann nennt als Beispiel die Restaurantkritik. Was konkret „wahrheitswidrig“ ist, darf dann ein Amtsrichter entscheiden. Nach der aktuell gängigen Lesart werden auch kritische Posts mit „wahrheitswidrigen“ politischen Inhalten betroffen sein. Mit der Offenlegung ihrer privaten Daten und nachfolgender Accountsperre werden somit auch die Nutzer zu rechnen haben, die in Abrede stellen, dass Waffenlieferungen dem Frieden dienen oder behaupten, dass deutsche Rüstungsfirmen trefflich vom Krieg profitieren.

Der Chaos Computer Club (CCC) warnt vor dem anstehenden gravierenden Eingriff in die Privatsphäre, wenn „sensible Informationen über Identität und Nutzungsverhalten von Millionen Menschen gesammelt werden“. Ein Datenpool, der, wie die Vergangenheit bereits gezeigt habe, für „alle möglichen anderen Zwecke“ genutzt werden könne. Auch der SPD-nahe digitalpolitische Verein „D64“ schlägt Alarm und sieht eine „erhebliche Gefahr für die Meinungsfreiheit“. Anderen geht der Gesetzentwurf nicht weit genug. Die zu über 25 Prozent aus öffentlichen Mitteln finanzierte Organisation „HateAid“ hat sich bereits zu Wort gemeldet. Aus Gründen der „Praktikabilität“ solle, so moniert sie, nicht nur Einzelpersonen, sondern auch Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) eine Antragsbefugnis eingeräumt werden. Wird das wahr, könnten in Zukunft Organisationen wie die grüne „Liberale Moderne“ (LibMod) auf breiter Front das Halali zur Hatz gegen Andersdenkende und Kriegsgegner vor den Zivilgerichten blasen. Der Deutsche Richterbund (DRB) will allerdings vorerst bei der Treibjagd nicht mitmachen: Der Gesetzentwurf sei reine „Symbolpolitik“, es fehle an einer dreistelligen Zahl von Richterstellen für solche Verfahren.

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"Schweigen schützt vor Datenklau", UZ vom 28. April 2023



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