Schwarzer Freitag bei H&M

Werner Sarbok im Gespräch mit Petra Stanius

Petra Stanius, politische und gewerkschaftliche Aktivistin aus Oberhausen, ist Mitglied des Aktionskreises gegen Unternehmerwillkür (AKUWILL) und von ver.di.

Petra Stanius, politische und gewerkschaftliche Aktivistin aus Oberhausen, ist Mitglied des Aktionskreises gegen Unternehmerwillkür (AKUWILL) und von ver.di.

Am Freitag, dem 13. Oktober, fanden in 18 Städten in der Bundesrepublik Aktionen vor Filialen des schwedischen Modehauses H&M statt. In Essen war Petra Stanius mit dabei.

UZ: Ihr werft H&M sozialschädliche Arbeitszeit-Modelle und Union Busting, also das Bekämpfen von Gewerkschaften und ihren Mitgliedern, vor. Was müssen wir uns konkret vorstellen?

Petra Stanius: Hennes & Mauritz ist ein global agierender Modekonzern, der seine Waren unter katastrophalen Arbeitsbedingungen in Asien fertigen lässt. Die Zustände in den Zulieferbetrieben z. B. in Bangladesh geben viel Anlass für Protest.

Aber auch in Deutschland liegt einiges im Argen bei H&M, und hierum ging es schwerpunktmäßig am 13. Oktober.

Zunächst einmal zu den Arbeitszeit-Modellen.

In Deutschland sind Ketten-Befristungen, Flex-Verträge mit geringen Wochenstundenzahlen (zehn Stunden), die je nach Bedarf des Unternehmens mal um mehr und mal um weniger Stunden aufgestockt werden können, und Arbeit auf Abruf üblich. Dies sorgt für Unsicherheit und macht eine Lebensplanung der Beschäftigten, sowohl finanziell als auch zeitlich, nur schwer möglich. Bei Krankheit erzielen die Kolleginnen und Kollegen nur das Einkommen, das sich aus der Stundenzahl im Arbeitsvertrag ergibt. Und zwischen den Zeilen steht die Drohung, dass bei unerwünschtem Verhalten die Möglichkeit zur Mehrarbeit jederzeit entzogen werden kann.

Und dann zum Union Busting, worauf wir bei der Aktion in Essen den Schwerpunkt gelegt haben.

Gemeint ist die von der Geschäftsleitung praktizierte systematische Bekämpfung von gewerkschaftlichem Einfluss und wirksamer Interessenvertretung der Beschäftigten in dem Unternehmen. In diesem Zusammenhang kann auch der Plan von H&M gesehen werden, das Lager in Großostheim zu schließen: Ein großer Teil der dort Beschäftigten ist bei ver.di organisiert, und die KollegInnen setzen sich für ihre Rechte ein.

In den Zulieferbetrieben von H&M in Bangladesh werden Proteste der Beschäftigten zuweilen mit Hilfe angeheuerter Schläger unterdrückt.

In Deutschland geht die Geschäftsleitung gezielt gegen engagierte GewerkschafterInnen und Betriebsräte vor. Von Interessenvertretungen der Beschäftigten ungestört, lassen sich schlechtere Arbeitsbedingungen hier wie dort leichter durchsetzen. Die unternehmernahe Kanzlei DLA Piper unterstützt H&M dabei.

Aktuell stehen gleich drei Betriebsräte auf der Kündigungsliste: Die im November 2016 begehrte Kündigung von Lukasz C., BR-Mitglied bei H&M in Leverkusen, wurde im September 2017 vom Landesarbeitsgericht Düsseldorf abgewiesen.

In Bonn und in Tübingen laufen die Kündigungsverfahren noch. Hier sind jeweils Gesamtbetriebsratsmitglieder betroffen.

Mit Kündigungen unter fadenscheinigen Vorwürfen sollen aktive Betriebsräte zermürbt werden. Gelingt dies, so hat dies fatale Folgen für die betroffenen KollegInnen und für ihr Gremium. Und am Ende auch für ihre Gewerkschaft, die nicht in der Lage gewesen ist, sie zu schützen.

UZ: Zeigen derartige Aktionen Wirkung?

Petra Stanius: Für Einzelhänder wie H&M ist ein guter Ruf sehr wichtig: Niemand ist darauf angewiesen, Kleidung dort zu kaufen. Und viele verzichten lieber auf den Einkauf bei Unternehmen, die für Lohndumping und schlechte Behandlung ihrer Beschäftigten bekannt sind. Aktionen wie der Schwarze Freitag tragen dazu bei, dass derlei Missstände einem größeren Publikum bekannt werden.

So entsteht bei solchen Unternehmen ein Imageschaden, den sie dann versuchen, mit teuren Imagekampagnen wieder zu beheben. Der entstandene Schaden ist also in Geld messbar.

Bleibt es bei einer einzelnen Aktion, hält sich der Schaden allerdings in Grenzen und kann – hier von H&M – leicht aufgefangen werden. Doch wird eine solche Kampagne aufrecht erhalten, sieht dies anders aus.

Wie zum Beispiel beim Möbelhändler XXXLutz. BRD-weit wurde auch über Medien mit Breitenwirkung wie dem Fernsehen über einen längeren Zeitraum über die Methoden dieses defacto-Konzerns berichtet, sich „zu teurer“ Beschäftigter zu entledigen. Dies hat für Empörung praktisch im ganzen Land gesorgt.

Auch hier reagierte XXXLutz mit Imagekampagnen. In Oberhausen zum Beispiel schaltete XXXL Rück über mehrere Monate hinweg eine Anzeigenreihe, in der jede Woche eine ganzseitige Anzeige im örtlichen Anzeigenblättchen erschien. Und sie versuchen, sich mit Sponsoring positiv ins Gespräch zu bringen.

Wir von AKUWILL haben in Oberhausen Öffentlichkeitsarbeit zu XXXLutz gemacht und gemerkt, dass die Unternehmensverantwortlichen nervös wurden.

Wir müssen hier dran bleiben. Dazu gehört auch, die noch anstehenden Kündigungsverfahren von Betriebsräten zu begleiten.

UZ: Wer sind die Organisatoren des „Schwarzen Freitags“?

Petra Stanius: Der bundesweite Aktionstag gegen miese Jobs und organisierte Gewerkschaftsbekämpfung, das so genannte Union Busting, wird von der Kölner Initiative aktion ./. arbeitsunrecht initiiert. Zum ersten Mal wurde er am 13. März 2015 durchgeführt und hat seitdem an jedem Freitag, dem 13. stattgefunden.

Durchgeführt werden die Aktionen dann dezentral von örtlichen Initiativen bzw. AkteurInnen: Zu dem jeweils für den Tag von der aktion ./. arbeitsunrecht vorgeschlagenen Thema, oder auch zu einem Fall, der vor Ort gerade besonders unter den Nägeln brennt.

UZ: Wie läuft die Zusammenarbeit mit ver.di bzw. anderen Gewerkschaftern?

Petra Stanius: Wir von AKUWILL haben großes Interesse daran, mit den Gewerkschaften zusammenzuarbeiten und uns gemeinsam mit ihnen gegen Lohndrückerei und die systematische Bekämpfung von Gewerkschaften und, damit verbunden, dem gezielten Fertigmachen engagierter KollegInnen, zu wehren.

Wir sind alle Mitglieder von Gewerkschaften, und wir fordern die ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema Union Busting immer wieder in unseren jeweiligen Gewerkschaften ein. Sich gegen Angriffe auf die Interessenvertretungen der Beschäftigten zu wehren und nicht zuletzt auch ihre aktiven Mitglieder zu schützen, sehen wir als eine zentrale Aufgaben der Gewerkschaften an. Die Gewerkschaften haben auch die nötigen Mittel dazu.

Leider werden von den Gewerkschaften Fälle von BR-Mobbing, das gezielte Fertigmachen engagierter KollegInnen, immer noch als Einzelfälle behandelt. Obwohl sich das Phänomen als Teil des Union Busting seit der Jahrtausendwende sichtlich immer weiter ausbreitet.

Langsam steigt das Problembewusstsein: So wurden beim letzten Gewerkschaftstag der IG Metall und dem letzten Bundeskongress von ver.di Beschlüsse gefasst, gegen Union Busting vorzugehen. Allerdings werden die Möglichkeiten, die sich hieraus ergeben, viel zu wenig genutzt.

Zum Schwarzen Freitag. H&M wurde gerade deshalb ausgewählt als Ziel, da es vielerorts Unterstützung von verdi für solche Aktionen gab.

UZ: Welche Planungen gibt es für nächste Aktivitäten?

Petra Stanius: Wir werden weiterhin Kündigungsverfahren von engagierten KollegInnen begleiten und uns als Anlaufadresse für Betroffene anbieten. Wir werden Öffentlichkeitsarbeit entwickeln zu Unternehmen, die Lohndumping und Union Busting betreibenm, mit Artikeln und mit Aktionen.

Wir möchten diese Themen in unsere Gewerkschaften einbringen und die Gewerkschaften zur Zusammenarbeit mit Initiativen wie unserer und untereinander auffordern. Wir wollen uns selbst mit anderen Initiativen vernetzen und den Informations- und Erfahrungsaustausch von Initiativen und Gewerkschaften weiter entwickeln.

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"Schwarzer Freitag bei H&M", UZ vom 3. November 2017



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