Die Kriegsministerin wusste offensichtlich mehr. Frau von der Leyen reagierte ungewöhnlich harsch. Der „Syrer“ Franco A. war aufgeflogen. Die Fragezeichen unübersehbar. Die ansonsten so militärverliebte Hardlinerin griff „ihre“ Truppe frontal an: „Die Bundeswehr hat ein Haltungsproblem. Und sie hat offensichtlich eine Führungsschwäche auf verschiedenen Ebenen.“ Es würden „Dinge eben aus falsch verstandenem Korpsgeist schöngeredet, es wird weg geschaut“. Wenige Tage später kroch die Ministerin in Illkirch zu Kreuze. „Von der Leyen entschuldigt sich bei Generälen“, titelte die Zeit. Von „unverzichtbarem Dienst“, „Dank und Anerkennung“ ist nun die Rede, „tadellos“. Auch wenn die oberste Kriegstreiberin Deutschlands dunkel ahnt: „Es wird noch einiges hochkommen.“
Für die prompte Kehrtwende der ansonsten hartkantigen CDU-Frau hatte ein beachtliches mediales Powerplay aus nahezu dem gesamten nationalen Spektrum inklusive der SPD-Führung gesorgt. Auch und gerade eine Ursula von der Leyen sollte doch wissen, wo auf der Hardthöhe und im Bendlerblock der Hammer hängt. Und da war ein Offizier mit „rechtsextremistischen“, genauer profaschistischen Überzeugungen noch nie ein Problem, wenn er nicht unangenehm öffentlich auffiel. Schließlich wurde die Bundeswehr, wie auch der deutsche Auslandsgeheimdienst, fast ausschließlich von Wehrmachts- und SS-Offizieren aufgebaut und geführt. Mit ausdrücklicher Genehmigung der USA. Und die wollten dort weitermachen, wo man im Mai 1945 so unglücklich hatte aufhören müssen. Diesmal allerdings mit Verstärkung der US-Boys. Wer in diesem, nennen wir es Bündnis, später den Koch und wer den Kellner spielen sollte, würde sich dann noch entscheiden. Geostrategen denken in langen Zeithorizonten.
Die Dinge kamen etwas anders. Die Sowjetunion entwickelte die Bombe und die dazugehörigen Trägermittel. Die Zeithorizonte dehnten sich. Zwischenzeitlich war Kreidefressen angesagt. Die Bundeswehr versuchte in der Shownummer „Demokratisches Nachkriegsdeutschland“ bella figura zu machen. Die „innere Führung“ und der „Staatsbürger in Uniform“ wurden erfunden, lange Haare genehmigt. In der klaren Erkenntnis der alten Kameraden und ihres politischen Rambos Franz-Josef Strauß, dass, wenn es zum atomaren Schwur käme, diese ganze Sandkastenspielerei ohnehin obsolet wären. Von der Leyen scheint daran geglaubt zu haben.
Mit dem Hissen der weißen Fahne durch Michael Gorbatschow und spätestens, Schröder und Fischer sei Dank, seit dem ersten Angriffskrieg der Bundeswehr – „Bomben auf Belgrad“ wie im April 1941 – befindet sich die Berliner Republik geostrategisch wieder im imperialistischen „Normalzustand“. D. h. sie führt Kriege zur Interessensicherung und Raumbeherrschung (auch am Hindukusch). Das ist, wenn man von der Quantität der Mittel und der Konsequenz ihrer Anwendung absieht, prinzipiell gleichgelagert mit den Versuchen 1914 – 1918 und 1939 – 1945. Entsprechend ausgerichtet sind auch die Legitimationsideologien. Zwar bemüht die offizielle Sprachregelung noch immer eine Menschenrechts-, Entwicklungs- oder R2P-Rhetorik (R2P = Responsibility to Protect, Verantwortung zum Schutz), aber angesicht der desaströsen Krisen- und Kriegsergebnisse und der daraus folgenden Flüchtlingsströme dürften nationalistische und sozialdarwinistische Ideologien an Boden gewinnen, wie Frau Le Pen gerade wieder unter Beweis gestellt hat. Die alten Kameraden, so sie es denn erleben könnten, würden sich zufrieden auf die Schultern klopfen.
Wie schon bei Donald Trump, macht die Kriegsindustrie auch bei Ursula von der Leyen klar, wer der Adressat von Kritik zu sein hat. Innenminister de Maizière, wie immer in Habtacht-Stellung, exekutierte dann auch diensteifrig die Überprüfung bereits genehmigter Asylanträge. Der Verdächtige ist der Asylant, soviel muss klar sein.
Die Wehrmacht sei „in keiner Form traditionsstiftend für die Bundeswehr“, bemühte sich die Kriegsministerin beim Besuch bei Franco A.s Jägerbatallion 291 in Illkirch um gute PR. Offenkundig kontrafaktisch. Die Liste selbst der offiziellen „Traditionspflege“, der wehrmachtslastigen Kasernennamen, ist lang. Schon das Logo, das schwarze Balkenkreuz, drückt, bei einiger grafischer Aufhübschung, das traditionsverhaftete Selbstverständnis der Truppe aus. Von dem, was passiert, wenn man unter sich ist, erst gar nicht zu reden. Und in einer „Eliteeinheit“ wie der berühmt-berüchtigten in Illkirch, dort, wo es auch ganz physisch ums Menschenumbringen geht, da hat selbstredend auch ein Franco A. seinen Platz. Man schreibt nicht mal so eben wie Kai aus der Kiste eine profaschistische Masterarbeit.
Von der Leyens Ahnung, „Es wird noch einiges hochkommen“ könnte sich bestätigen. Zu dubios ist die der Öffentlichkeit bislang aufgetischte Räuberpistole über den international bestens vernetzten Franco A. Sicher ist das nicht. Wie in ähnlichen Fällen wurden die medialen Nebelwerfer schnell in Stellung gebracht. Einsatz der Ministerin inklusive.