Eingesperrt ohne Verdacht, Haftbefehl und Rechtsbeistand. Das bayerische Polizeiaufgabengesetz (PAG) hält, was es versprochen hat. Wir erinnern uns: Zehntausende gingen im Mai und Oktober 2018 gegen das PAG, das in puncto Machtfülle der Polizei selbst die Notstandsgesetze der späten 60er Jahre in den Schatten stellt, in München und anderswo auf die Straße. Auf den Weg gebracht wurde das Gesetz durch die Bayerische Staatskanzlei unter Federführung von Horst Seehofer, damals im Februar 2018, noch kurz vor seinem Wechsel ins Bundesinnenministerium. Schon 2017 wurde die weiß-blaue Präventivhaft eingeführt, deren Dauer grenzenlos verlängert werden kann. Sie hieße wohl besser Unendlichkeitsgewahrsam. Missliebige und auffällige Personen werden für längere Zeit aus dem Verkehr gezogen. Vor 80 Jahren nannte man das Schutzhaft.
Und wen wundert es: Bayerns PAG wird seit einem Jahr als Beispiel für den von Berlin geplanten „Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes“ gehandelt. In der Folge schossen neue Polizeigesetze in fast allen Bundesländern wie Pilze aus dem Boden: Ihnen allen ist das im PAG vorgeführte Instrumentarium gemeinsam. Präventivhaft, Ausrüstung der Polizei mit schweren Waffen und Sprengmitteln und akustischen, optischen Waffen sowie Überwachung des Datenverkehrs, Absenkung der Eingriffsschwelle durch Ausweitung des Gefahrbegriffs bis zur Unkenntlichkeit. Dahinter steckt System. Schließlich soll das für den Bund geplante einheitliche Polizeigesetz, den für die herrschende Klasse wohl unerträglichen Zustand von „Zonen unterschiedlicher Sicherheit“ (Koalitionsvertrag, Seite 126) beenden. Längst geht es daher nicht mehr um die zu Beginn der Ausweitung der Polizeigesetze wohlfeil in allen bürgerlichen Gazetten beschworene „Terrorgefahr“. Tatsächlich jeder kann betroffen sein. Von der Straße für Wochen und Monate weggefischt, ohne Anklage, ohne anwaltlichen Beistand, ja ohne überhaupt den Verdacht einer Straftat. Die Unschuldsvermutung wurde geschleift.
Die Mobilmachung des Staates im Bereich der Prävention (Polizeigesetze, Ausbau der Befugnisse von Verfassungsschutz und BND) geht einher mit der einer Offensive der Beschneidung von Verfahrensrechten in der Strafprozessordnung und der stetigen Verschärfung strafrechtlicher Sanktionen. Das gehört alles zum „Pakt für den Rechtsstaat“, den die Bundesregierung und sämtliche Landesregierungen – gleich welcher Couleur – zur „zentralen gemeinsamen Gestaltungsaufgabe“ in ihrer Sitzung am 31. Januar 2019 auserkoren haben. Ein deutsches Guantanamo.