IG BAU fordert mindestens 16,50 Stundenlohn in der Gebäudereinigung

Schulsystemrelevant

Die erste Verhandlungsrunde der Tarifauseinandersetzung in der Gebäudereinigung ist in der vergangenen Woche in Frankfurt am Main ergebnislos abgebrochen worden. 3 Euro mehr pro Stunde für alle rund 700.000 Beschäftigten in der Branche ist die zentrale Forderung der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU). Die Gewerkschaft will so erreichen, dass vor allem die unteren Lohngruppen angesichts der gestiegenen Preise deutlich angehoben werden. Für die unterste Lohngruppe würde dies einem Stundenlohn von 16,50 Euro entsprechen. Darüber hinaus sehen die Forderungen der IG BAU ein 13. Monatseinkommen für alle Gewerkschaftsmitglieder vor sowie eine Steigerung der Ausbildungsvergütungen im ersten Lehrjahr um 150 Euro, im zweiten um 200 Euro und im dritten um 300 Euro pro Monat. Als Laufzeit werden zwölf Monate angestrebt.

Die Kapitalseite wies die Forderungen prompt als „maßlos, unverschämt und realitätsfern“ zurück. Der Bundesinnungsverband des Gebäudereiniger-Handwerks, in dessen Betrieben rund 80 Prozent der Beschäftigten der Branche angestellt sind, behauptete zudem, dass die hohen Löhne und Gehälter dafür sorgen würden, dass die Lebensmittelpreise steigen und die Lebensmittelhändler so über Gebühr belastet würden.

Dabei ist die Gebäudereinigungsbranche nach einer jüngsten Erhebung mittlerweile am untersten Ende der Einkommensskala angekommen. Im Schnitt werden 2.400 Euro brutto pro Monat gezahlt. Etwa 500.000 der dort Beschäftigten – meist Frauen – erhalten lediglich den Branchenmindestlohn. Dieser beträgt derzeit 13,50 Euro, für Glas- und Fassadenreiniger sind es 16,70 Euro. Hinzu kommt, dass die Beschäftigten im Gebäudereiniger-Handwerk – mit 26 Milliarden Euro Jahresumsatz immerhin einer der größeren Wirtschaftszweige und das größte Handwerk in Deutschland – nicht einmal eine „Inflationsausgleichsprämie“ bekommen haben.

Aus Sicht des Innungsverbands besteht hier auch kein Handlungsbedarf, da sich „die Inflation mehr und mehr normalisieren würde“. Das ist angesichts der anhaltend hohen Lebensmittel- und Energiepreise eine absolut realitätsferne Sichtweise. „In dieser ersten Runde haben die Arbeitgeber jegliche Wertschätzung für die Beschäftigten vermissen lassen“, kommentierte folgerichtig die IG BAU den Verlauf der bisherigen Verhandlungen.

Die Folgen mangelnder Wertschätzung von Reinigungskräften – in Verbindung mit dem neoliberalen Bekenntnis zum Kaputtsparen öffentlicher Infrastruktur – kann man sehr anschaulich in zahlreichen Schulen beobachten. „Verdreckte Toiletten, keine Privatsphäre und undefinierbare Flüssigkeiten auf Wänden und Böden: Die Toiletten an Deutschlands Schulen sind ein Ort des Grauens.“ Zu diesem Ergebnis kommt die kürzlich vorgestellten Studie „Toiletten machen Schule“ der German Toilet Organisation (GTO) und dem Institut für Hygiene und Öffentliche Gesundheit am Universitätsklinikum Bonn. Die untragbaren Zustände an den Schulen führen laut der Studie dazu, dass 66 Prozent der Schüler versuchen, in den Schulen nicht zur Toilette zu gehen. Ein Viertel gab an, deswegen sogar auf Essen und Trinken zu verzichten.

In der Konsequenz empfiehlt die GTO den Schulen, die Toiletten zweimal am Tag reinigen zu lassen. Einmal während des Schulbetriebs und einmal danach. Das führe nicht nur zu sauberen Sanitärbereichen, sondern hätte auch einen pädagogischen Mehrwert. Der Umstand, dass in den Schulen nach Schulschluss geputzt werde, führe dazu, dass die Schüler keinen Bezug zu denen haben, die ihre Schule reinigen, sagte GTO-Chef Thilo Panzerbringer dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: „Die Reinigungskräfte bekommen ein Gesicht.“

Ob neben dem pädagogischen Wert für die Schüler auch eine angemessene Bezahlung für die, die Toiletten reinigen, herausspringt, entscheidet sich vermutlich Mitte September. Dann steht die nächste Verhandlungsrunde in der Tarifauseinandersetzung an.

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"Schulsystemrelevant", UZ vom 28. Juni 2024



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