Armin Laschet (CDU) bekommt Konkurrenz. Seit Wochen gilt der NRW-Ministerpräsident unbestritten als der ungeschickteste und orientierungsloseste Krisenmanager unter den Landespolitikern. Doch ausgerechnet seine Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) droht nun, ihn abzulösen. Den Grundstein für diese Karriere legte sie Mitte April in einem WDR-Interview. Zuvor hatte die Landesregierung die vorgezogenen Schulöffnungen für Abschlussklassen in NRW verkündet. Da konfrontierte eine Schülervertreterin die Ministerin mit der Angst vieler Schüler, sich oder ihre vorerkrankten Verwandten anzustecken. Gebauers Antwort war überraschend deutlich: „Wir haben natürlich auch vereinzelt Todesfälle, mit denen die Schülerinnen und Schüler klarkommen müssen.“ Man biete jedoch Schulpsychologen und telefonische Beratung an.
Genauso gut hätte sie auch sagen können: „Doof, dass Oma und Opa sterben. Aber unsere Psychologen kriegen euch schon wieder hin.“ Und wofür? Für die Illusion eines „normalen Abiturs“ und die damit verbundene, schnellstmögliche Verwertbarkeit der Schülerinnen und Schüler. Dieses Vorgehen blieb nicht unbeantwortet. Am Morgen des 23. April protestierte das „Aktionsbündnis Schulboykott NRW“ in Düsseldorf gegen die übereilten Öffnungen. Während die Demonstranten strengste Sicherheitsauflagen einhalten und die Teilnehmerzahl begrenzen mussten, strömten die Abschlussjahrgänge unter sehr unterschiedlichen Bedingungen in die Klassenzimmer.
Die Hygienehinweise der Landesregierung kamen spät, ließen wichtige Fragen offen und gaben den Schulträgern gerade einmal drei Tage Zeit, um das angeordnete Hygienematerial zu besorgen. In seiner Not forderte der „Städtetag NRW“ eine Verschiebung des Schulstarts auf den 27. April. Laschet und Gebauer reagierten empört und erklärten ihrerseits, dass die Gemeinden genügend Vorbereitungszeit gehabt hätten. Es entbrannte ein Streit zwischen Land und Kommunen darüber, wer für den misslungenen Start in den Schulbetrieb verantwortlich war. Über die wesentlichen Fragen wurde jedoch nicht diskutiert. Seit Jahren sind viele Schulen marode, die Klassenzimmer verschmutzt und die Sanitäreinrichtungen unbenutzbar. Wie sollten aus diesen Zuständen innerhalb weniger Wochen hygienisch einwandfreie Lernräume erwachsen? Der Mangel an eigenem Personal und die privatisierte Schulreinigung taten ihr Übriges dazu.
Gebauer versuchte schließlich den Befreiungsschlag, indem sie die Schulöffnungen kurzerhand als „gut gelungen“ bezeichnete, obwohl deren Auswirkungen auf die Verbreitung von Covid-19 noch völlig unklar waren. Prompt folgte Kritik der „Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft“ (GEW), die von einem „sehr hohen Risiko“ sprach. Unterdessen bemühte sich der Ministerpräsident, die Wogen zu glätten und die Gemeinden zu besänftigen. Doch es folgte der nächste Eklat. Offenbar eigenmächtig verschickte das Schulministerium eine Rundmail mit Erlasscharakter: Die Grundschulen, so hieß es in dem Schreiben, sollten ab dem 11. Mai für alle Schülerinnen und Schüler in einem rollierenden System wieder öffnen. Laschet, der gerade erst von einem klärenden Gespräch mit den Kommunen zurückgekehrt war, machte die Düsseldorfer Chaostage perfekt. In einer Pressekonferenz ordnete er die „Korrektur“ der E-Mail, also die Absage des geplanten Grundschulstarts, an und demontierte damit öffentlich, was von Gebauers ministerialer Aura noch übrig war.
Die Gemeinden wehren sich vermehrt gegen widersprüchliche Erlasse und kurzsichtige Entscheidungen. Das ist gut, aber die Unsicherheit von Schülern, Eltern und Lehrern bleibt. Das irrlichternde Regierungspersonal trägt weder zur Lösung noch zur Beruhigung bei. Doch Armin Laschet dürfte der ganze Rummel nur recht sein: Sollte sich bald herausstellen, dass die chaotischen Schulöffnungen zur Katastrophe führen, steht mit Yvonne Gebauer schon ein gut vorbereitetes Bauernopfer bereit.