Zum Konzept der Aktienrente

Schuldenfinanzierte Spekulationsrente

Auf den ersten Blick sieht das von den herrschenden Medien nun verkündete Modell der „Aktienrente“, das im Bundesfinanzministerium erarbeitet worden sei, aus wie der Vollzug eines der Lieblingsprojekte der FDP aus den Koalitionsverhandlungen der „Ampelregierung“: Der Rentenversicherung sollen 10 Milliarden zugeführt werden, deren Erträge „von Mitte der 2030er Jahre in die Rentenversicherung fließen, um sie finanziell zu stärken“. Im Koalitionsvertrag hieß es, dies sollte „im Jahre 2022“ geschehen – und zwar „aus Haushaltsmitteln“. Aus 2022 ist 2023 geworden, vor allem aber hat die Quelle dieses Neubeginns eine Nuancierung erfahren – nun ist anders als 2021 von „Haushaltsmitteln in Form von Darlehen“ die Rede.

Der Wirtschaftskrieg gegen Russland überdehnt nicht nur an anderen Stellen die Möglichkeiten des deutschen Staates, seine verschiedenen Versprechen zur Wohlstandssicherung zu erfüllen. Nun zieht er auch seine Spuren in die Alterssicherung. Das DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel hat völlig recht, wenn sie ironisch fragt: „Wer berät eigentlich den Bundesfinanzminister? Jedem Privatanleger rät man davon ab, Aktiendepots über Schulden zu finanzieren.“ Der Verstoß gegen diese Elementarregel jeder seriösen Geldanlage rührt daher, dass Bundesfinanzminister Christian Lindner sich in der Quadratur des Kreises versucht: Er hat kein Geld mehr für dieses FDP-Lieblingsprojekt, möchte es aber trotz Wirtschaftskrieg unbedingt noch durchbringen. Also finanziert er es – Schuldenbremse hin, Schuldenbremse her – über Pump. Das kann böse enden, vor allem, wenn sich diejenigen durchsetzen, die diesen Schritt zwar begrüßen, aber darauf drängen, das Volumen von 10 Milliarden Euro schnell auszuweiten, weil der Effekt sonst viel zu gering wäre. Vor allem angesichts dieser Gefahr warnt beispielsweise der Mannheimer Ökonomieprofessor Hans Peter Grüner vor einer „schuldenfinanzierten Aktienspekulation des Staates“, die, wenn das Volumen ausgeweitet werde, im Falle deutlicher Kursverluste „die Bonität des Staates oder die Erträge der Rentner beeinträchtigen“ würden.

In der Tat legt das Lindner-Projekt, kombiniert mit dem Kriegswahn, die Axt an die Stabilität der Rentenfinanzierung. Die Versorgung künftiger Rentnergenerationen verlagert sich, wenn diese Weichenstellung nicht verhindert wird, ins Casino.

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"Schuldenfinanzierte Spekulationsrente", UZ vom 11. November 2022



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