Zu „Ein Blick in die frühe Geschichte der DDR“, UZ vom 6. Januar

Schriftstellerin der „Ankunftsliteratur“

Gudrun Stelmaszewski, per E-Mail

Wenn heute ein altes Manuskript aus DDR-Zeiten herausgekramt und veröffentlicht wird, geht es immer um die Diffamierung der DDR. Welche „Sensation“ soll die Veröffentlichung von Brigitte Reimanns „Denunziantin“ für das „Verständnis der Nachkriegsverhältnisse“ sein? Ich bin in dieser DDR geboren und aufgewachsen und weiß, dass die dortigen Probleme den Großteil der Bevölkerung bis 1988 alles andere als hinderten, die Partei- und Staatsführung zu unterstützen und doch ihre Meinung zu sagen, um diese und jene Veränderungen zu erreichen. Was soll an einer postulierten und praktizierten antifaschistischen und demokratischen Politik falsch sein, die begleitet wurde von einem langen Lernprozess, Verantwortlichkeiten zuzuordnen? Unverständlich auch, dass der Autor die „Stalin-Note“ auf einige sowjetische Kulturoffiziere projiziert. Wo bleibt die Schriftstellerin der „Ankunftsliteratur“ Brigitte Reimann, die durch Rüdiger Bernhardt auf ihren damals unveröffentlichten Erstling und als eine „von Leidenschaft fast gepeinigte(n) Schriftstellerin“, nicht fähig zu zielstrebigem politischen Kampf, reduziert wird? Sie begann, erst 20, in einer Arbeitsgemeinschaft Literatur, in der man ihren „Erstling“ ablehnte. Mit dem Buch „Die Frau am Pranger“ erregte sie Aufmerksamkeit unter den jungen, in der Nazizeit aufgewachsenen Frauen, die zuerst gefühlsmäßig solidarisch mit der Protagonistin sympathisierten. Die Frau in der aufzubauenden sozialistischen Gesellschaft (aber nie ohne den Mann) war leidenschaftliches Thema der Brigitte Reimann. Zwei Gewerkschaftspreise zeugen davon. „Franziska Linkerhand“ würde man heute als Kultbuch bezeichnen. Helmut Sakowski nannte sie „eine Schriftstellerin von hohen Graden und sehr weiblicher Art“ (Vorwort zu „Ankunft im Alltag“, 1986): „Wie lautet die Botschaft, über ihren Tod hinaus? Bitte, nehmt Anteil an allem, was geschieht und die Leute tagtäglich betrifft. Macht es euch nicht bequem.“

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"Schriftstellerin der „Ankunftsliteratur“", UZ vom 20. Januar 2023



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