Jürgen Trittin schäumt vor Wut – und fordert ein Nachdenken über „wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen“ und eine „robustere Türkei-Politik“. Stein des Anstoßes ist für den Außenpolitischen Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion das Ansinnen der Türkei, die auch Mitglied der NATO ist, sich dem Staatenbündnis Shanghai Cooperation Organisation (SCO) anzuschließen.
Außer dass sie eine „von Russland und China geführte Sicherheitsorganisation“ ist, erfährt man in der deutschen Presse wenig über die SCO, die Ende vergangener Woche ihren Gipfel im usbekischen Samarkand beendete. Das Staatenbündnis, das 2001 von der Volksrepublik China, der Russischen Föderation, Kasachstan, Kirgistan, Usbekistan und Tadschikistan gegründet und 2017 um Indien und Pakistan erweitert wurde, hat zwar auch eine Komponente der militärischen Kooperation, ist aber vor allem ein Forum für Zusammenarbeit zwischen den Staaten – und eine ökonomische Macht, denn die zusammengenommene Wirtschaftsleistung der beteiligten Staaten liegt mit 23,3 Billionen US-Dollar deutlich über der der USA oder der EU.
Aber nicht nur deswegen ist die SCO dem „Wertewesten“ ein Dorn im Auge. Mehr und mehr sind die Staaten dazu übergegangen, Handel nicht mehr in US-Dollar, sondern in den eigenen Währungen zu betreiben, und können damit getrost die US-Sanktionen gegen einzelne Länder ignorieren. In einer Welt, in der diese sowieso nur von von einem Viertel der Staaten auf der Erde mitgetragen werden, ein weiteres Zeichen für den Verfall der westlichen Vorherrschaft.
Genauso wie die stete Erweiterung der SCO. Neben den behandelten Themen wie der Sicherstellung von Energie- und Nahrungsmittelversorgung und der Lieferketten ging es auch um die Erweiterung der SCO. So wurden mit dem Iran konkrete Schritte zur Vollmitgliedschaft vereinbart, die das Land im vergangen Jahr beantragt hatte.
Ein Interesse an der Mitgliedschaft hat indes nicht nur die Türkei: Trotz der Aufnahme des Irans haben die SCO-Dialogpartner Saudi-Arabien, Ägypten und Katar ihr Interesse an einer Vollmitgliedschaft nicht aufgegeben, laut Medienberichten streben die Vereinigten Arabischen Emirate sie sogar aktiv an. Damit bekunden Länder, die sich bisher eher in Richtung Westen orientiert haben, ein starkes Interesse an einer Alternative. Zudem berät die SCO über eine Aufnahme von Belarus. Weitere Dialogpartner der SCO sind Armenien, Aserbaidschan, Kambodscha, Nepal, Sri Lanka und die Türkei.
Traditionell nehmen im Rahmen der SCO-Gipfel bilaterale Gespräche eine große Rolle ein. In Samarkand war das wohl mit größtem Interesse verfolgte das zwischen dem chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping und seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin. Putin hatte zuvor angekündigt, chinesische „Bedenken“ gegenüber dem russischen Einsatz in der Ukraine nachvollziehen und die russische Position erklären zu wollen. Beim Treffen dankte er für die „ausgewogene Position unser chinesischen Freunde“. Xi forderte „alle Beteiligten“ auf, Feindseligkeiten einzustellen. Gemeinsam, so betonte der chinesische Präsident, wolle man für „Stabilität und positive Energie in einer chaotischen Welt sorgen“.