Im Wikipedia-Eintrag von Olaf Scholz sucht man es vergeblich, aber die Menschen in diesem Land wissen es jetzt: Unser Kanzler ist nicht nur Jurist, er ist auch Turbinenspezialist. Bei einer Inspektion am Siemens-Standort Mülheim stellte er sofort fest, dass die in Kanada gewartete Turbine von Nord Stream 1 nicht nur voll einsatzfähig ist, sondern auch alle Dokumentationen und Wartungsberichte vollständig sind. Der Russe muss sie nur abholen. Weil er das nicht tut, ist bewiesen, dass er den Westen erpressen will, indem er weniger Gas durch Nord Stream 1 fließen lässt. Dies alles ließ Scholz nach seiner Inspektion auf einer Pressekonferenz wissen. Der anwesende Siemens-Manager hatte sichtlich Mühe, seine Miene im Griff zu halten – was tut man nicht alles, wenn der Vertreter des ideellen Gesamtkapitalisten zur Visite kommt.
Böswillige Menschen könnten nun fragen, ob es denn der Russe war, der den Betrieb von Nord Stream 2 verhinderte. Sie könnten auch fragen, wer mit gnadenloser Sanktionspolitik die andere Seite zwar ruinieren will, aber deren Gas trotzdem so lange einfordert, bis die Importwege für das amerikanische Frackinggas – teuer und umweltschädigend – funktionieren.
Der Russe ist auch schuld, dass nicht alle Energiekonzerne explodierende Gewinne einfahren wie RWE und die Ölriesen. Einer, nämlich Uniper, kam sogar ins Trudeln. „Unternehmerisches Risiko“? Natürlich nicht, die Gaskunden zahlen die Rettung per Umlage. Stadtwerke, die Probleme mit den hohen Einkaufspreisen für Gas bekommen, werden sicher nicht so großmütig mit unserem Geld unterstützt. Ihre Perspektive wird eher Privatisierung und Monopolisierung sein.
Uniper gehört zum größten Teil dem finnischen Staat und Finnland ist jetzt in der NATO, da muss das Risiko auf die Massen umgelegt werden. Das wird der finnische NATO-Beitritt doch wert sein. Gestritten wird nur, ob auf die Umlage auch noch 19 Prozent Mehrwertsteuer aufgeschlagen werden, damit auch der deutsche Staat noch abkassiert. Diesen Streit verkauft „dpa“ dann so: „Koalition prüft Entlastung bei staatlicher Gas-Umlage.“ Die Diskussion darüber, ob man noch mehr abkassieren kann, wird zu einer Diskussion um Entlastung umgelogen.
Diese miese Propaganda soll helfen, die Heimatfront zu schließen. Keiner soll sich daran erinnern, dass die Energiepreise lange vor dem russischen Angriff explodierten. Die Sanktionspolitik der Bundesregierung muss getragen werden, sonst drohen Volksaufstände, wie die Bellizisten fürchten.
Menschen werden zu hunderttausenden in Armut gestürzt. Heizen und Essen können sich viele nicht mehr leisten. Wohnungen werden gekündigt, weil die Nachzahlungen unbezahlbar werden. Die Ursachen für diese Entwicklung – Konzernprofite, Waffenlieferungen, Hochrüstung – werden verschleiert. Die Wut der Geprellten soll „den Russen“ treffen. Um dem zu begegnen, haben wir starke Argumente und richtige Forderungen: Stoppt die Sanktionen und Waffenlieferungen – nehmt Nord Stream 2 in Betrieb!
Die Menschen müssen aufstehen, müssen sich wehren. Vor allem die Gewerkschaften sind hier gefordert. Der Weg der „Konzertierten Aktion“ ist der falsche. Der Weg, sich teilweise in die Politik der Sanktionen, der Waffenlieferungen und der Hochrüstung einbinden zu lassen, erst recht. Richtig ist der Weg, der jetzt in der Friedensbewegung diskutiert wird, der Weg auf die Straße und der Weg, den Protest gegen den Kahlschlag mit dem Protest gegen Hochrüstung und Sanktionen zu verbinden. Die Vorbereitung großer Demonstrationen am 1. Oktober macht Mut. Nutzen wir den Antikriegstag, den Weltfriedenstag, zu ihrer Vorbereitung.