Der Parti Socialiste (PS) inszeniert seine Vorwahlen. Bereits seit Monaten versucht der Chef des PS, Cambadélis, alle „Linken“ in einer „Schönen Volksallianz“ (Belle Alliance Populaire) um die PS-Führung in den Vorwahlen am 22. und 29. Januar zu vereinigen: Die regierungsfreundlichen Grünen, die dem PS nahen Reform-Gewerkschaften und bekannte Einzelpersonen. Es gilt die Fortsetzung des neoliberalen Kurses des PS zu garantieren. Die Präsidentschaftswahlen – im französischen Präsidialregime ein Machtposten – beeinflussen auch die am 11. und 18. Juni stattfindenden Parlamentswahlen. Als Option gilt: Das Parlament kann durch den Präsidenten aufgelöst werden.
Der französische Präsident Hollande tritt aus der Schusslinie. Zur Regierungsneubildung führte die Kandidatur Manuel Valls‘. Neuer Premier wurde Innenminister Cazeneuve. Er hat seine rechtsradikalen Lorbeeren zuletzt bei der rabiaten Unterdrückung der Gewerkschaftsstreiks im letzten Jahr verdient. Schon bei ersten Ansprachen erklärte er die Aufrechterhaltung des Ausnahmezustandes bis Juli 2017 und die konsequente Weiterführung der Austeritätspolitik – also die Fortführung der Politik der Regierung Valls. Am 13. Dezember sprachen ihm die bisher als „Frondeure“ (Aufsässige) gehandelten PS-Mitglieder ihr Vertrauen aus. Damit führten sie sämtliche ihrer demokratisch verbrämten Vorschläge zur Konsolidierung der Republik ad acta. Und zogen einigen anbändelnden Größen der Französischen Kommunistischen Partei (PCF) den Zahn, es könnte eventuell Gemeinsamkeiten geben.
So dürfen nun in der „Schönen Volksallianz“ sieben Regierungsnahe (vier ehemalige Minister der Regierungspartei PS) kandidieren: Valls, Armand Montebourg, Vincent Peillon und Benoît Hamon sowie drei Verbündete der „Radikalen Linkspartei“ und sich zentristisch, laizistisch und liberal nennende Grüne, die ihre zu linkslastigen Parteien verlassen hatten. Die Kandidaten dreier Bewegungen wurden wegen angeblich zu später Registrierung nicht zugelassen (wegen keynesianischer Vorstellungen).
Aufgegeben werden musste die Vereinnahmung von Jean-Luc Mélenchon und der Kommunisten des PCF. Letztere haben dem neuen Premier nicht das Vertrauen ausgesprochen. Wunschkandidat des Kapitals ist und bleibt Manuel Valls – solange die Wähler sich nicht ausdrücklich für eine rechtslastige oder extrem rechte Person aussprechen. Bereits vor 100 Jahren hat die Sozialdemokratie den sozialen Frieden mit dem Kapital geschlossen. Nunmehr aber gleicht sie sich im antisozialen Handeln den rechten, teilweise selbst den extrem rechten Kreisen nahezu an.
Die Zielstellung ist klar: Höchste Profite für das Kapital – höchste Profite für jeden politischen „Leistungsträger“, Kapitalismus als einzig mögliche Gesellschaftsform. Eben das wird ständig in den Medien propagiert. Die Arbeitenden als notwendiger Teil des Systems brauchen politische Führung, denn wenn die Rechten mit François Fillon an der Spitze nicht die Mehrheit der Bevölkerung erreichen (4 Mio. bei der Vorwahl von etwa 35 Mio. Wählern insgesamt), muss eine „linke“ Spitze her. Der rechtsextreme FN ist zurzeit noch keine Alternative.
Der Aufbau einer „linken“ Spitze mit allen Mitteln der Propaganda ist umso dringender, je mehr Wähler zur einzigen Alternative greifen: „La France insoumise“ [„Das nicht unterworfene Frankreich“] mit Jean-Luc Mélenchon an der Spitze. Der PCF ist ihr Bündnispartner – für alle Fälle aber bleibt die Notstandsregierung.
Einer der sieben Kandidaten der „Schönen Volksallianz“ erklärt das Fiasko der Hollande-Politik mit der seit 2008 anhaltenden Krise, die ihr keine Chance gelassen habe. Mit ihrem „pragmatischen Flügel“ habe sie keine „globale Vision auf lange Sicht“ gehabt. Er bemüht den Nationalen Widerstandsrat (NWR, der zur Befreiung Frankreichs vom Faschismus führte) als Modell der Vereinigung von Rechten und Linken, um dem Mangel an Vertrauen in die Politik zu begegnen. Bei Valls nennt sich das eine „entschlossene und entgegenkommende Republik“. Und immer, wenn die Argumente ausgehen, den drastischen Plänen des rechten Fillon zur Rettung des Kapitals eigentlich nichts anderes entgegengesetzt werden kann – die Wirtschaftspläne der „linken“ Kandidaten sind ähnlich –, wird der „idealistische Flügel“ der selbsternannten Linken bemüht. Der diskutiert Modernisierungs- und Digitalisierungspläne für die Wirtschaft, die alles richten sollen.
Die „globale Vision“, die „entschlossene Republik“ wie auch das Wiederaufleben eines Nationalen Widerstandsrates unter einer Notstandsregierung – die sich nach politischen Aussagen und tatsächlichem Agieren im Krieg befindet – sind im gegenwärtigen globalpolitischen Konsens als Programm zu sehen.