Wird es in Berlin nach den Abgeordnetenhauswahlen am 18. September eine Koalition aus SPD, den Grünen und der Partei „Die Linke“ geben? Der Berliner Vorsitzende der Linkspartei, Klaus Lederer, wirbt jedenfalls für ein solches Dreierbündnis. Auch Bettina Jarasch, die Chefin der Berliner Grünen, die auf keinen Fall ein Bündnis mit Henkels CDU eingehen wollen, ist dem nicht mehr abgeneigt. Beide waren sich in einem Interview mit der „Berliner Zeitung“, das am Montag erschien, einig. Jarasch forderte, „etwas Neues, Gemeinsames anzufangen“. Für den Regierenden Bürgermeister Michael Müller und seine Partei, die SPD, wäre eine rot-rot-grüne Koalition dagegen nur eine Notlösung.
Doch wenn am 18. September die Wahlergebnisse in Berlin ähnlich ausfallen wie derzeit die Umfragewerte? Jüngste Umfragen bestätigen, was sich seit Monaten andeutet: Eine Regierungskoalition aus nur zwei Parteien ist unwahrscheinlich. SPD und CDU, die noch im Land gemeinsam regieren, kämen derzeit zusammen auf nur 41 Prozent. Die SPD erreichte in den Umfragen von Infratest dimap, die zwischen dem 11. und 15. August durchgeführt wurden, nur 21 Prozent. Ihr bislang schlechtestes Wahlergebnis musste sie 1999 mit 22,4 Prozent hinnehmen. Die CDU würde zur Zeit 20 Prozent der Stimmen erhalten, zwei Prozent mehr als im Juni. Doch mit deren Chef Henkel will die SPD nicht mehr.
Ein Bündnis aus SPD und Grünen, das der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) noch in der vergangenen Woche favorisiert hatte, brächte es nur auf 38 Prozent der Stimmen. Nur gemeinsam mit der Linkspartei (derzeit bei 16 Prozent) würde es nach dem 18. September für die Mehrheit reichen – wenn SPD und Grüne bei ihrer Ablehnung der Henkel-CDU bleiben. Die „Notlösung“ könnte Wirklichkeit werden.
Darauf hat sich die Linkspartei offenbar schon vorbereitet. In der vergangenen Woche stellte sie einen 12-Punkte-Plan für die ersten 100 Tage einer gemeinsamen Regierung vor. Blumig heißt es darin: „Berlin wird schlecht regiert. Ein handlungsunfähiger Senat hat die eskalierenden Probleme jahrelang verschleppt. (…) Wir legen 12 Projekte vor, die Berlin sozialer, demokratischer und ökologischer machen wollen. Sie sind Teil eines Dialogangebotes an die Berlinerinnen und Berliner.“ Und weiter: „Wir wollen Verantwortung für Berlin übernehmen und die Stadt den Bürgerinnen und Bürgern zurückgeben.“
Die Berliner Linkspartei spricht sich für die Schließung aller Massennotunterkünfte aus, in denen allein in Berlin immer noch 25 000 Flüchtlinge leben müssen: „Menschenwürdige Unterbringung ist der erste Schlüssel für gelingende Integration.“ Sie will Initiativen ergreifen, um bundesweit einen Abschiebestopp durchzusetzen.
Auch viele der anderen Vorschläge, vor allem die zur Unterstützung sozial Schwacher, für bezahlbare Mieten und Verkehrstarife, die Förderung des Bildungswesens, des Öffentlichen Nahverkehrs und die Absage an den weiteren Ausbau der A 100, für Investitionen in die vernachlässigte soziale Infrastruktur, in Arbeitsplätze, Aus- und Weiterbildung und für mehr direkte Demokratie werden sicher die Zustimmung vieler Wählerinnen und Wähler finden. Das muss nicht heißen, dass sie die Linkspartei auch wählen – viele reagieren skeptisch auf die Versprechen und erinnern an die Jahre 2002 bis 2011, in denen die Linkspartei in einem SPD-geführten Senat mitregierte.
2001 war für Gregor Gysi die Regierungsbeteiligung der PDS im Berliner Senat „ein Wert an sich“. Dafür nahm die Partei eine Koalitionsvereinbarung in Kauf, in deren Präambel man sich von der eigenen Geschichte, der SED und der DDR, distanzierte.
Gysi, damals Spitzenkandidat seiner Partei, hatte zudem versprochen: „Ich möchte dafür eintreten, dass die notwendige Sanierung der Stadt sozial gerecht erfolgt, dass Armut und Arbeitslosigkeit wirksam bekämpft werden. Ich möchte, dass die Bildungschancen für die jungen Generationen ausgebaut werden und die vielfältigen Formen von Kunst und Kultur in dieser künftigen europäischen Metropole erhalten bleiben. Alle anderen Ausgaben müssen auf den Prüfstand, aber auch Einschnitte müssen mit Bedacht und gerecht erfolgen.“ Doch die PDS ordnete sich dem Kurs „Sparen bis die Stadt quietscht“ des damaligen Regierenden Bürgermeisters Wowereit (SPD) unter. Kürzungen im Öffentlichen Dienst, bei Jugendeinrichtungen, Bibliotheken, Bauinvestitionen, Verkauf öffentlichen Eigentums – vor allem landeseigener Wohnungsbestände –, Erhöhung von Kita-Beiträgen waren die Folge. Rot-Rot wurde zu einem Desaster für die PDS, später für die Partei „Die Linke“, die Verbündete verlor und viele Wählerinnen und Wähler. 2011 erreichte sie nur noch 11,7 Prozent.
Für Klaus Lederer ist heute die Sache klar. Im „Tagesspiegel“ schrieb er am Sonntag: „Es war die SPD, die in rot-roten Zeiten ein Umsteuern in der Mietenpolitik, beim Personalabbau im öffentlichen Dienst oder bei der Bekämpfung von Langzeitarbeitslosigkeit blockierte, aber dann in der Koalition mit der CDU erst recht keine linken Politikansätze durchsetzen konnte.“ In die Koalition mit der SPD möchte er trotzdem. Mit Hoffnung auf die Grünen?