Der hierzulande bekannteste Stadionsprecher dürfte Arnd Zeigler sein, der rund ums Weserstadion zuhause ist und im „WDR“ regelmäßig in die „wunderbare Welt des Fußballs“ entführt. Weniger berühmt, aber dennoch nicht wegzudenken aus der Crème de la Crème der Stadionsprecher, ist Unions Christian Arbeit. Den kennen Sie gar nicht? Na, dann wird’s aber Zeit!
Ich fange mal mit dem scheinbar Banalen an: Christian Arbeit hat – wenngleich man das bei einem Mann des Wortes voraussetzen möchte – eine unglaublich angenehme Stimme, die ihn nicht nur für Ansagen im Stadion prädestiniert, sondern auch zum Gesang befähigt. Wer sich das Video zum Song „Amboss oder Hammer“ anschaut (abrufbar auf YouTube), wo er die erste Strophe singt, wird mir nicht widersprechen. Und: Zur ruhigen Stimme passt das ruhige Gemüt. Es gibt unter Arbeits Kollegen so einige, die sich offenbar als Entertainer verstehen und ihren Job derart überdreht verrichten, dass man sich fragt, ob sie wohl vor dem Dienstantritt noch schnell ein bedenkliches Pülverchen zu sich genommen haben. Im Gegensatz zu diesen Clowns ist Christian Arbeit jemand, der sich nicht nur mit einfachen, freundlichen und angemessenen Worten an sein Publikum richtet, sondern sogar ein stiller Genießer. Beinahe rituell und von Erik Lautenschläger fein besungen ist die Szenerie etwa eine Viertelstunde vor dem Anpfiff eines jeden Heimspiels, wenn die Ränge schon voll sind und sich die Blicke gebannt auf den Rasen richten: „(…) dann kommt er langsam übers Spielfeld/und atmet kurz die Stimmung ein.//Und sagt:/Unioner, schön dass ihr da seid!“ Ob da der Sprecher eher seine Zuhörer beglückt oder umgekehrt – man weiß es gar nicht.
Aber natürlich hat Christian Arbeit noch mehr auf dem Kasten als das Vorlesen der Mannschaftsaufstellung oder die Moderation der Pressekonferenzen (bei denen er auch den Gästetrainern stets mit Herzlichkeit begegnet, ohne sie anzukumpeln oder die Grenzen gebührlicher Distanz zu übertreten). Fällt ein Heimspiel auf den 8. März, zitiert er schon mal wie aus dem Stegreif Clara Zetkin; fällt es auf den 27. Januar, erinnert er an die Befreiung von Auschwitz beziehungsweise daran, dass es dann doch noch Wichtigeres gibt als den Fußball. All diese Mahnungen und Erinnerungen sind umso eindringlicher, als man spüren kann, dass Arbeit in diesen Momenten keine lästige Pflicht erfüllt, sondern ihm seine Botschaften ein persönliches Anliegen sind. Wo er politisch steht, weiß ich nicht. Ganz ohne Zweifel ist er aber weder Opportunist noch Eiferer. Und damit passt er zu Union „wie Arsch auf Eimer“.
Einen schönen Beweis dafür lieferte Christian Arbeit vor einigen Jahren bei der feierlichen Mitgliederversammlung zum 50. Jahrestag der (Neu-)Gründung des Vereins. Als eine der Hostessen, die für die Veranstaltung engagiert worden waren, gerade ein Glas frisches Wasser zum Rednerpult brachte, begannen Teile des mehrheitlich männlichen Publikums, ihrer Begeisterung für die attraktive Frau mit Pfiffen Ausdruck zu verleihen. Das mochte für den Augenblick heiter gewesen sein, beim zweiten und spätestens beim dritten Mal ließ sich die Sache aber nicht mehr als „proletarischer Charme“ verbuchen, sondern fiel deutlich unter die Rubrik „machistische Übergriffigkeit“. Was tat Christian Arbeit? Er forderte die überhitzten Zuschauer auf, sich wieder zu beruhigen, wartete geduldig, bis das Gejohle verstummte, und fuhr dann – mit etwas ernsterem Gesichtsausdruck, aber auf moralinsaure Belehrungen über Benimmregeln verzichtend – einfach fort im Programm. Das zeigte Wirkung, die Gemüter kühlten sich ab. Ein solch souveränes Verhalten erlebt man jedenfalls nicht alle Tage.
Fußballfans bangen ständig, dieser oder jener geliebte Spieler könnte den Verein verlassen. Oder auch der erfolgreiche Trainer. Bei Stadionsprechern ist es immerhin unüblich, dass sie zur Konkurrenz wechseln. Aber den Job hinschmeißen, das könnten sie ja doch. Deshalb fokussiere ich mich heute mal nicht auf Urs Fischer, sondern sage: Christian, schön dass du da bist. Und so möge es auch bleiben. Eisern Union!