Mit dem Ende des „rot-rot-grünen“ Senats in Berlin sind auch alle jene linksliberalen Hoffnungen auf eine Entspannung des Berliner Wohnungsmarkts gestorben. Sie hatten sich vor allem im Volksentscheid über die vermeintliche Enteignung großer Wohnungsbestände ausgedrückt.
Die heiße Luft ist jedoch verpufft. Bis auf den extrem überteuerten Verkauf einiger tausend zumeist maroder Wohnungen aus dem Bestand von Aktiengesellschaften an öffentliche Wohnungsunternehmen ist nichts geschehen. Die Mieten sind nicht gesunken, sondern weiter gestiegen. Vor allem aber sind keine neuen bezahlbaren Wohnungen entstanden – was allerdings auch nie vorgesehen war.
Bewegung im Wohnungswesen gibt es jetzt in die andere Richtung: Bereits Ende August beschloss der Berliner Senat aus SPD und CDU das so genannte „Schneller-Bauen-Gesetz“, das schon im Dezember in Kraft treten soll. Bis dahin soll im Abgeordnetenhaus zwar noch darüber diskutiert werden, aber man versichert, den Bauturbo anschmeißen zu wollen.
Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler (SPD): „Das Aufgabenverständnis, das wir bei dem Prozess angelegt haben, ist vor allem die Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsprozessen“. Gaebler argumentiert hier im Stil kapitalistischer Baulobbyisten, die man eigentlich in den Reihen der FDP verorten würde, wonach „zu viel Bürokratie“ daran schuld sei, dass zu wenig Wohnungen gebaut werden. Den Baulöwen geht es jedoch allein um uneingeschränkte Handlungsmöglichkeiten für höheren Profit.
Das Gesetz sieht denn auch vor, dass der Senat künftig alle Bauvorhaben mit über 50 Wohneinheiten an sich ziehen kann, was eine gewisse Aushebelung der demokratischen Mitbestimmung und weniger Kontrollinstanzen bedeutet. Denn bisher oblag die Entscheidungsgewalt darüber den Berliner Bezirksregierungen. Auch über Widersprüche gegen solche Bauvorhaben aus der Bevölkerung soll künftig nicht mehr im Bezirk entschieden werden, sondern allein auf Senatsebene. Dies würde zweifellos jenen Kapitalisten aus der Wohnungswirtschaft in die Hände spielen, die ihre Vertreter in den Reihen der CDU oder SPD haben – also der absoluten Mehrheit. Der Westberliner Immobilienfilz lässt grüßen. Unisono zum Trommeln der Regierungsparteien läuft eine Werbekampagne der Bau- und Immobilienwirtschaft sowie ihrer Lobbyvereine für das neue Gesetz.
So unterschiedlich die Opposition in der Hauptstadt, so bunt durcheinander auch die Argumente gegen die Senatspläne: Vertreter der Linkspartei, Grüne, der Berliner Mieterverein, sogar einzelne CDU-Bezirkspolitiker sprechen sich mal mehr, mal weniger entschieden mit ganz unterschiedlichen Aussagen gegen das „Schneller-Bauen-Gesetz“ aus. Man argumentiert mit Barrierefreiheit, Umwelt- oder Denkmalschutz, zu wenig Personal für das eigentlich doch irgendwie sinnvolle Anliegen, schleppender Digitalisierung oder Entmündigung der Bürger. Die prinzipielle Frage, wer was bauen soll, wird durch dieses Palaver überhaupt nicht berührt.
Aus kommunistischer Sicht ist vor allem der Hinweis darauf stichhaltig, dass durch diese angeblich verschlankten Verfahren im Interesse der privaten Immobilienwirtschaft ausschließlich teure Wohnungen entstehen werden. Keine Rolle spielen bezahlbare Wohnungen, öffentlicher oder gar kommunaler Wohnungsbau mit Mietpreisen jenseits der Orientierung auf Profite. Kommt das „Schneller-Bauen-Gesetz“ durch, droht möglicherweise auch die Ausweitung auf weitere städtebauliche Bereiche. Nach diesem Muster könnte künftig auch der Widerstand des Bezirks gegen die millionenschweren Zaunbaupläne um den Görlitzer Park ausgehebelt werden.
Den Krokodilstränen sämtlicher Linksliberalen sollte dennoch mit Vorsicht begegnet werden. Denn Senatswillkür bei der Stadtumgestaltung war auch schon in den Jahren gängig, als Grüne und Linkspartei noch mit in der Regierung saßen. „Rot-Rot-Grün“ und auch „Die Linke“ auf Bezirksebene haben jahrelang exakt die Politik gefahren, die einige ihrer Vertreter jetzt bemängeln. Beispiele für die Verwertung zuvor „ungenutzter“ Bereiche gibt es in Berlin überall.