Warum die „Inflationsausgleichsprämie“ ihren Namen nicht verdient hat

Schnell verpufft

Ob in der Metall- und Elektroindustrie, bei der Post oder der Bahn – es gibt keine Tarifrunde, in der die Kapitalseite ihren Beschäftigten nicht Einmalzahlungen statt tabellenwirksame und damit dauerhafte Lohnerhöhungen anbietet. Dass durch eine solche Lohnpolitik weder Berufe aufgewertet werden noch Altersarmut verhindert wird, spielt dabei keine Rolle. Auch der viel beschworene „Fachkräftemangel“ wird so sicher nicht behoben. Dennoch haben diese Angebote – die durchaus als „vergiftet“ bezeichnet werden können – spätestens seit der Einführung der sogenannten „Inflationsausgleichsprämie“ durch die Bundesregierung Hochkonjunktur. Grundlage für die Einführung ist das „Gesetz zur temporären Senkung des Umsatzsteuersatzes auf Gaslieferungen über das Erdgasnetz“. Es wurde am 25. Oktober 2022 im Bundesgesetzblatt verkündet und trat rückwirkend zum 1. Oktober 2022 in Kraft.

Bei der „Inflationsausgleichsprämie“ handelt es sich im Kern um einen steuerlichen Freibetrag von maximal 3.000 Euro pro Beschäftigtem. Dieser kann als einmalige Zahlung oder alternativ in mehreren Teilbeträgen ausgezahlt werden. Möglich ist auch eine Prämie in Form von Sachleistungen – dazu können etwa Tank- oder Waren- und Essensgutscheine zählen. Zahlt die Firma bereits solche Sachleistungen, dürfen diese jedoch nicht in die „Inflationsausgleichsprämie“ umgewandelt werden.

Grundsätzlich können alle Beschäftigten – egal, ob sie in Vollzeit oder Teilzeit arbeiten – die Prämie bekommen. Gleiches gilt für geringfügig Beschäftigte wie Minijobber, Werkstudenten und Auszubildende. Seit dem 26. Oktober können Unternehmen ihren Beschäftigten die Zahlung gewähren – bis zum 31. Dezember 2024. Auf diese Leistungen müssen keine Sozialversicherungsabgaben gezahlt werden, wodurch für die Kapitalseite – anders als bei tabellenwirksamen Lohnerhöhungen – keine zusätzlichen Lohnnebenkosten entstehen.

Ausgangspunkt der „Inflationsausgleichsprämie“ war – darauf deutet der Name schon hin – die hohe Inflation. Sie wurde insbesondere durch die sprunghaft gestiegenen Energiepreise verstärkt. Diese Preissteigerungen sind Folgen des Ukraine-Krieges und der damit verbundenen Sanktionspolitik. Die „Inflationsausgleichsprämie“ soll nun, so die Bundesregierung, einerseits die Folgen der Preissteigerungen abmildern und gleichzeitig einen Beitrag leisten, Einmalzahlungen attraktiver zu machen. Sogenannte Wirtschaftsexperten flankierten diese Politik, indem sie vor einer vermeintlichen „Lohn-Preis-Spirale“ warnten. Das Ziel der Prämie ist also, die Tarifforderungen der Gewerkschaften zu dämpfen und Lohnabschlüsse zu verhindern, die einen tatsächlichen Ausgleich für die Preissteigerungen darstellen.

Wie sich die neu geschaffene „Inflationsausgleichsprämie“ in der Praxis auf Tarifkämpfe auswirkt, kann man in der aktuellen Auseinandersetzung im öffentlichen Dienst beobachten. ver.di und der Deutsche Beamtenbund (DBB) fordern für die 2,4 Millionen Beschäftigten von Bund und Kommunen 10,5 Prozent, monatlich jedoch mindestens 500 Euro mehr Gehalt. Nach der ersten Warnstreikwelle hat nun die Gegenseite in der vergangenen Woche endlich ein erstes Angebot vorgelegt. Es beinhaltet eine lineare Erhöhung der Löhne um drei Prozent in diesem und weitere zwei Prozent im kommenden Jahr. Außerdem soll es steuer- und abgabenfreie Einmalzahlungen in Höhe von insgesamt 2.500 Euro geben – verteilt über zwei Jahre. Für einen Müllwerker sei das ein Plus von etwas mehr als zwölf Prozent, so der Vorstandsvorsitzende des Kommunalen Arbeitgeberverbandes Baden-Württemberg, Wolf-Rüdiger Michel. Dabei ergibt die angebotene lineare Erhöhung bei genauer Betrachtung gerade einmal ein Volumen von fünf Prozent.

Dies zeigt: Einmalzahlungen sind kein Ersatz für Lohnerhöhungen. Statt solche Leistungen steuerlich zu begünstigen, wäre es aus Sicht der Beschäftigten sehr viel vorteilhafter, Einkommen aus Lohnarbeit generell zu entlasten. Zweifler, die behaupten, dass dies nicht geht, sollten sich daran erinnern, dass dies bei großen Vermögen und Kapitaleinkünften in der Vergangenheit immer funktioniert hat.

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"Schnell verpufft", UZ vom 3. März 2023



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