Der „Streit“ über das 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr zwischen Ampel-Koalition und Union scheint entschieden. Die dazugehörige Grundgesetzänderung zur Umgehung der Schuldenbremse soll nun schnell durchgezogen werden. Damit nach Freigabe der Gelder der Aufrüstung der Bundeswehr nichts mehr im Wege steht, will die Bundesregierung nun das Vergaberecht für Rüstungsbeschaffungen lockern. Es geht „um die Beschleunigung von Vergabeverfahren, um Beschaffungsmaßnahmen für die Streitkräfte schnell und flexibel durchführen zu können“, zitiert die „Berliner Zeitung“ aus einem Papier des Bundesverteidigungsministeriums zum geplanten Bundeswehr-Ausrüstungs-Beschleunigungsgesetz.
Erst am 19. Mai hatte die Ampel-Koalition ein Beschleunigungsgesetz zum Bau von LNG-Flüssiggas-Terminals durchgebracht. Am 23. Mai verkündete der Verteidigungspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Alexander Müller, die nächste Beschleunigungsnovelle. Offiziell heißt es, die Beschleunigung werde durch den „Abbau bürokratischer Hürden“ erreicht. Tatsächlich aber geht es um das Schleifen rechtsstaatlicher Verfahren, ähnlich wie bei der „LNG-Beschleunigung“. Dort entfiel im neuen Gesetz gegen den Protest der Umweltverbände die Unverträglichkeitsprüfung. Es werden Rechtsmittelmöglichkeiten gestrichen sowie Informations-und Prüfungsfristen verkürzt und damit die Pforten für Lobbyismus und Korruption geöffnet. Die Losvergabe, die bis dato auch wirtschaftlich schwächeren mittelständischen Unternehmen die Möglichkeit eines Auftrags bot, fällt weg.
Bei der Aufrüstung kann es gar nicht schnell genug gehen. Fast in Vergessenheit geraten ist das „Gesetz zur beschleunigten Beschaffung im Bereich der Verteidigung und Sicherheit und zur Optimierung der Vergabestatistik“, das gerade einmal vor zwei Jahren in Kraft getreten ist. Schon damals wurden die Nachprüfungszeiten für Auftragsvergaben verkürzt und Verfahren ohne echten Teilnahmewettbewerb für zulässig erklärt. Die Beschaffung von Rüstungsgütern befindet sich folglich aktuell schon auf der Überholspur.
Der Gesetzentwurf soll auch den Kauf von Waffen und Ausrüstung über internationale Organisationen wie die NATO-Beschaffungsagentur NSPA ermöglichen. Internationale Rüstungsgroßkonzerne wie General Dynamics, Raytheon oder Northrop Grumman dürfen sich freuen. Vergaberechtliche Hürden für Auslandsvergaben gibt es in Kürze so gut wie nicht mehr. Aus dem Verteidigungsministerium ist zu hören, weshalb die Beschaffung von Waffen jetzt so schnell gehen muss. Wie beim LNG-Beschleunigungsgesetz steht auch die grenzenlose Hochrüstung im „Kontext des Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine“.
Sevim Dagdelen, Obfrau der Partei „Die Linke“ im Auswärtigen Ausschuss, kommentierte den Gesetzentwurf gegenüber der „Berliner Zeitung“: „Es braucht kein Schneller-Aufrüsten-Gesetz, das rechtsstaatliche Verfahren aushebelt, um mit maximaler Geschwindigkeit Milliardensummen für den militärisch-industriellen Komplex durchzuwinken.“ Lobbyismus, Korruption und überhöhten Preisen werde so noch mehr Vorschub geleistet auf Kosten der Bürgerinnen und Bürger. Die neue Regelung sei „eine regelrechte Einladung zur Abzocke der öffentlichen Hand“.