Gelsenkirchen und Duisburg sind die ärmsten Städte der BRD

Schlusslichter

Im Westen geht die Sonne unter: Einer Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) zufolge sind Gelsenkirchen und Duisburg die ärmsten Städte Deutschlands. Das durchschnittliche verfügbare Pro-Kopf-Einkommen im untersuchten Jahr 2019 lag in Gelsenkirchen bei 17.015 Euro, in Duisburg bei 17.741 Euro. Wer in einer der beiden reichsten Städte lebt, hat im Schnitt mehr als doppelt so viel Geld zur Verfügung: 38.509 Euro im Landkreis Starnberg, beim Spitzenreiter Heilbronn sind es sogar 42.275 Euro.

Gelsenkirchen und Duisburg sind Ausreißer in Westdeutschland. Mehr als drei Jahrzehnte nach der Annektion der DDR liegen die Einkommen in Ostdeutschland immer noch deutlich unter denen der alten Bundesländer. In nur einem ostdeutschen Landkreis liegt das verfügbare Pro-Kopf-Einkommen über dem bundesdeutschen Schnitt von 23.706 Euro: 24.127 Euro stehen Menschen in Potsdam-Mittelmark im Schnitt pro Jahr zur Verfügung. Spitzenreiter bei den Bundesländern sind laut der Studie des zur Hans-Böckler-Stiftung gehörenden WSI Bayern und Baden-Württemberg. Hier liegt das Durchschnittseinkommen jeweils etwa 2.600 Euro über dem westdeutschen Schnitt.

Woher die deutlichen Unterschiede? In den 1920er Jahren war Gelsenkirchen eines der größten Bergbauzentren Europas. Auch Eisen- und Stahlwerke sowie Textilindustrie florierten. Nach dem Niedergang des Bergbaus verpasste die Stadt den Anschluss. Bis zu 100.000 Arbeitsplätze gingen verloren. Aus der „Stadt der tausend Feuer“ wurde die „Stadt der zehntausend Gefeuerten“ – viele Gelsenkirchener zogen weg. Die Arbeitslosenquote ist bundesdeutscher Negativrekord. Im März lag sie bei 11,7 Prozent. Der bundesdeutsche Schnitt liegt bei 5,3 Prozent. Ähnlich die Situation in Duisburg.

Die lokalen Unterschiede liegen vor allem an sehr hohen Einkommen einzelner Haushalte. In Heilbronn etwa ist es Lidl-Gründer Dieter Schwarz, der die Statistik signifikant verschiebt. Der reichste Deutsche verfügt laut „Tagesschau“ nämlich über ein Vermögen von 43 Milliarden Euro. Der Landkreis Starnberg ist bundesweit für seine hohe Millionärsdichte verrufen.

Von Vermögen in solchen Höhen können die Menschen in Gelsenkirchen und Duisburg höchstens träumen. Ihre Einkommen reichen kaum für das Nötigste. Inflation und explodierende Energiepreise stellen sie vor unlösbare Herausforderungen. Entsprechend schnell kommen die Genossen der DKP Duisburg mit Betroffenen ins Gespräch. Alle zwei Wochen informieren sie die Öffentlichkeit mit ihrem Infostand über die Energiepreisstopp-Kampagne der DKP.

Selbst an einem kalten Samstag Anfang April – drei Grad Außentemperatur, eiskalter Wind – bleiben Passanten vor dem Kaufland im Duisburger Stadtteil Ruhrort stehen und diskutieren. Viele Gespräche bleiben nicht bei Energiepreisen stehen. Das Missverhältnis zwischen kalten Wohnungen und knappen Mahlzeiten, während Milliarden in die Rüstungsindustrie fließen, überrascht die Leute hier nicht.

Es wird kalt in Deutschland, die Sonne geht unter. Im Westen nichts Neues.

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"Schlusslichter", UZ vom 13. Mai 2022



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