Wenn demokratische Kräfte Erfolg haben, versteht das Kapital keinen Spaß mehr

„Schluss mit lustig“

Wolfgang Trunk, Frankfurt

Die Bedingungen für den Klassenkampf haben sich mit dem Monopolkapitalismus geändert. Verschärfungen treten hier nicht nur aktuell ein, als situative Zuspitzungen; vielmehr hat sich der Klassenkampf an sich verschärft. Diese Verschärfung ist von struktureller und epochaler Art. Für die fortschrittlichen Kräfte ergibt sich daraus ein wesentlicher Umstand, und zwar einer, von dem die Marxisten immer sprechen: Sie befinden sich in einem Widerspruch. Der Zielkonflikt besteht darin, dass man mächtige Gegenkräfte auf den Plan ruft, wenn man den Kampf gegen die herrschende Klasse engagiert führt.

Für das Monopolkapital ist seine heutige Herrschaftsform ideal. Das gesamte organisierte Geschehen wird dabei so ausgerichtet, dass ein allgemeiner Konsens entsteht, so dass der Einzelne das gesellschaftlich Übliche akzeptiert und sich von selbst anpasst. Die Gegenseite hat ja nicht nur die ökonomische und politische Macht, sondern sie versteht sich auch darauf, die ideologische Herrschaft auszuüben. Ihre Politik der „Integration“ macht es den fortschrittlichen Kräften besonders schwer, Menschen dafür zu gewinnen, dass man sich für die eigenen Interessen einsetzt und dabei Konflikte eingeht. Gleichwohl brechen an vielen Stellen der Gesellschaft Gegensätze auf; sie bieten Ansatzpunkte für gemeinsame Kämpfe, und regelmäßig gelingt es sogar, solche Kämpfe wahr zu machen. Was aber passiert, wenn diese Kämpfe zunehmen, und wenn die Integrationspolitik der herrschenden Klasse an Kraft verliert, wenn ihre Herrschaft also abnimmt oder gar wankt? Was passiert, wenn die demokratischen Kräfte Erfolg haben? Für Teile des Kapitals ist dann „Schluss mit lustig“. Seine weitsichtigen Vertreter sind offenbar der Meinung, dass man vorbauen sollte; so erleben wir in Deutschland seit langer Zeit einen Abbau demokratischer Rechte und Handlungsmöglichkeiten. Anders gesagt: Die Integrationspolitik des Kapitals ist zwar ideal, aber sie ist nicht „alternativlos“.

Was tun? Die Kommunisten stellen an sich selbst den Anspruch, Widersprüche zu durchdenken und mit ihnen so umzugehen, dass sie nicht lähmen, sondern vorwärtstreiben, dass sie nicht einengen, sondern den Handlungsraum erweitern. Kommunisten sehen sich auch in der Verantwortung, gangbare Wege für die Bewegung aufzuzeigen und dabei voranzugehen. In unserer Epoche braucht das eine politische Kraft, die nicht nur etwas weiß, sondern auch etwas kann; wenn Lenin von der Partei neuen Typs sprach, dann hatte er diese Professionalität der Handlungsfähigkeit im Blick.

Nun ist kein Kampf ohne Risiko, gleich gar nicht, wenn man es mit einem starken Gegner zu tun hat. Ein verantwortliches Vorgehen im Kampf gegen das Monopolkapital kann nur bedeuten, dass man die Sache in die Breite trägt. Das geht unweigerlich mit der Anforderung einher, sich auf Entwicklungen mit Anderen einzulassen. Dass man im Klassenkampf vor allem durch eigene Erfahrungen lernt, das gilt ja für alle Beteiligten, seien sie Marxisten oder nicht. Solche gemeinsamen Erfahrungen müssen ermöglicht werden, und sie müssen organisiert sein.

Vor allem ist zu beachten, dass die fortschrittlichen Kräfte in ihrem eigenen Handeln zwar von Einsichten geleitet sein müssen, dass sie aber mit dem bloßen Vortrag dieser Einsichten, nur mit Gegenpropaganda nicht viel ausrichten können. Es stellt sich vielmehr die Frage, mit welchen Arten der Aktivität man eine Beziehung zu Menschen aufbauen kann, die mit der Zeit tatsächlich zu neuen Erfahrungen, Einsichten und Bereitschaften führt und schließlich zur Ausbildung einer kollektiven Handlungsfähigkeit. Eine thematische Schwerpunktsetzung und personelle Kontinuität sind dafür ebenso eine Voraussetzung wie die Konzentration der Kräfte und die Weiterentwicklung unserer eigenen Fähigkeiten.

Wollen die Kommunisten ihre Aktivität über die Grenzen linker Kreise hinausführen, dann treffen sie auf Mitmenschen, die mit Manchem unzufrieden sind, die aber nicht „durchblicken“, und denen es auch fremd ist, gemeinsam mit anderen für ihre Interessen zu streiten. Man bekommt es dann mit den Angehörigen der eigenen Klasse zu tun, und das sind überwiegend Personen, die noch keine Gelegenheit hatten, sich von der ideologischen Vorherrschaft des Kapitals freizumachen. Die bürgerliche Ideologie ist ihnen nicht zur zweiten, sondern zur ersten Haut geworden; sie sind in ihrer Persönlichkeit von den Verhältnissen geprägt und reproduzieren sie durch ihr Handeln. Auf diese Menschen muss sich die kommunistische Partei einstellen – eine anspruchsvolle Aufgabe.

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"„Schluss mit lustig“", UZ vom 16. Oktober 2020



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