Am 17. Juni wurden die MfS-Akten in das Bundesarchiv überführt. Aus dem Amt des „Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik ( BStU )“ wurde das Amt des oder der „Beauftragten für die Opfer der SED-Diktatur“. Die Diskriminierung und Verfolgung von DDR-Bürgerinnen und DDR-Bürgern geht nicht nur weiter, sie wird verstärkt. „Die Bevölkerung der DDR wird sukzessive in ein Volk von SED-Opfern umprogrammiert“, kritisieren die Gesellschaft zur Rechtlichen und Humanitären Unterstützung (GRH) und das Insiderkomitee am 17. Juni. Wir dokumentieren im Folgenden ihre Erklärung:
Auf Beschluss des Bundestages wird am 17. Juni 2021 das „Stasi-Unterlagen-Archiv“ als eigenständiger Teil in das Bundesarchiv überführt. Das Amt des „Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik ( BStU )“ wird zum Amt des oder der „Beauftragten für die Opfer der SED-Diktatur“ beim Deutschen Bundestag „aufgewertet“.
Die Behörde des Bundesbeauftragten war mehr als 30 Jahre mit ihren zunächst über 3.000 Mitarbeitern die wichtigste Instanz zur Delegitimierung der DDR. Ihr Unterhalt verschlang mehrere Milliarden Euro an Steuermitteln.
Das „Gesetz über die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes“ wird rechtliche Grundlage für die Überprüfungen auf „Stasi-Mitarbeit“ bleiben. Mit seiner Verlängerung um weitere 10 auf dann insgesamt 40 Jahre (bis 2030) wird der Zugang zu den MfS-Akten auch künftig nicht nach dem Bundesarchiv-Gesetz erfolgen.
Das ehemalige Ministerium für Staatssicherheit in Berlin-Lichtenberg wird Archivzentum und der Standort zur „Stasi-Zentrale. Campus für Demokratie“, einem „Ort deutscher Diktatur- und Demokratiegeschichte“ ausgebaut. Die bisherigen 12 Außenstellen sollen modernisiert und umgestaltet werden. Perspektivisch sollen Einsichtnahmen auch in Koblenz, Freiburg, Bayreuth und Ludwigsburg möglich sein.
Geheim bleiben die MfS-Erkenntnisse über die Machenschaften westlicher Geheimdienste und kompromittierende Informationen über westliche Politiker. Die Geheimdienstarchive der alten BRD bleiben ohnehin geschlossen.
Der „Transformationsprozess“ wird noch höhere finanzielle Aufwendungen erfordern als bisher, aber dafür besser im Haushalt des Bundesarchivs versteckt. Die BStU beschäftigte zuletzt 1.400 Mitarbeiter für 111 km Akten, von denen keiner entlassen werden soll. Die erst 1958 in der BRD gebildete Zentralstelle für die Aufklärung von NS-Verbrechen beschäftigte vergleichsweise niemals mehr als 121 Mitarbeiter, heute arbeiten dort zwanzig.
Auch unter der Obhut des Bundesarchivs ist kein sachlicher Umgang mit den MfS-Akten zu erwarten. Ihre einseitige und selektive Auswertung soll vielmehr noch stärker mit allen anderen Formen der Anti-DDR-Propaganda verbunden werden. Suggeriert wird, dass alle MfS-Akten „Opferakten“ seien, die sich auf Repression und Überwachung beziehen. Tatsächlich sind mehr als die Hälfte davon Ergebnisse von Sicherheitsüberprüfungen, in denen DDR-Bürgern z.B. vor Reisen oder Tätigkeiten ins westliche Ausland oder dem Einsatz in bestimmte Funktionen fast immer ihre Treue zur DDR bescheinigt wurde. Übrigens sind entsprechende Sicherheitsüberprüfungen auch in westlichen Staaten üblich.
Vor Übernahme der Unterlagen durch das Bundesarchiv erfolgte keinerlei archivwissenschaftliche Bewertung. Ein Großteil der Akten enthält keine für die Nachwelt bedeutsame Informationen, ist also ohne jeden archivalischen Wert.
Die Bevölkerung der DDR wird sukzessive in ein Volk von SED-Opfern umprogrammiert. Eine Vorahnung, was mit dem neuen Amt des „Opferbeauftragten der SED-Diktatur“ beabsichtigt ist, liefert eine in Brandenburg vorgelegte Sozialstudie. Danach sollen 20 bis 30 Prozent der DDR-Bürger Opfer von Zersetzungsmaßnahmen des MfS gewesen sein. „Kreativ“ werden neue Opfer gesucht, z.B. durch die Einbeziehung sämtlicher Insassen von Kinderheimen in der DDR. Krönung des Ganzen ist die Feststellung, dass sogar erst nach dem Ende der DDR Geborene den Opfer-Status erben können. Die Penetranz mit der auch weiter an der Verteufelung der DDR festgehalten wird, ist nur erklärbar aus dem Bestreben, jede Erinnerung an die emanzipatorischen Errungenschaften der DDR auszulöschen und jede sozialistische Idee aus den Köpfen zu verbannen.
Auch nach Jahrzehnten solcher Gehirnwäsche ist die „Umerziehung der Ostdeutschen“ weitgehend erfolglos geblieben. Diese Erkenntnis veranlasst offenbar den Ostbeauftragten Wanderwitz zu der Feststellung: „Wir haben es mit Menschen zu tun, die teilweise in einer Form diktatursozialisiert sind, dass sie auch nach 30 Jahren nicht in der Demokratie angekommen sind“.
Welche Demokratie sie meinen, zeigt die Gegenwart. Die Grenzen des profitorientierten Gesundheitssystems, die Frage bezahlbaren Wohnens, die Versäumnisse in der Umwelt- und Klimapolitik, die erkennbare Gleichschaltung der Medien, die abenteuerlichen Begründungen für die profitable Erweiterung des Rüstungsgeschäfts und die Politik am Rande eines heißen Krieges lassen die Fassade des kapitalistischen Systems bröckeln und verlangen nach Antworten. Dass solche Antworten auch in den guten wie den schlechten Erfahrungen der DDR zu finden sind, wird sich auf Dauer nicht verleugnen lassen.
Anlässlich der Überführung der MfS-Unterlagen in das Bundesarchiv und der Schaffung des Amtes „Beauftragter für die Opfer der SED-Diktatur“ fordern wir:
- Antworten auf unsere 21 Fragen „zum Umgang mit der DDR-Geschichte“, die wir im Oktober 2018 dem damaligen Bundesbeauftragten Roland Jahn stellten; ihre Aktualität ist ungebrochen.
- Sachlichen und wahrheitsgemäßen Umgang mit der Geschichte beider deutscher Staaten und ihrer Geheimdienste.
- Schluss mit der Dämonisierung der DDR und des MfS in Medien, Gedenkstätten, Schulbüchern und in Reden von Politikern.
- Aufhebung aller Regelungen, die Ostdeutsche aufgrund ihrer Vergangenheit diskriminieren, einschließlich der Rehabilitierung der zu Unrecht Verfolgten.
- Keine weitere Verschleuderung von Steuergeldern.