In Libyen soll vor allem das Öl wieder fließen

Schlüsselposten besetzt

In Skhirat, einem mondänen Badeort in Marokko mit Luxushotels, einem Fischerhafen und einem Kongresszentrum, wurde vor fünf Jahren ein Abkommen zwischen den verfeindeten Parteien Libyens geschlossen Es war die Voraussetzung, die „Einheitsregierung“ von Ministerpräsident Fayiz as-Sarradsch zu bilden, blieb aber letztlich wirkungslos. Jetzt soll das Abkommen von Skhirat nach Verhandlungen im marokkanischen Bouznika wiederbelebt werden. As-Sarradsch plant seinen Rücktritt und auch die Regierung im Osten des Landes bot ihren Rücktritt an. Und vor allem: Das Öl soll wieder fließen. General Haftar wird seine Blockade der Öleinrichtungen aufheben, zunächst für einen Monat.

Wie katastrophal die Lage für Zivilisten in Libyen ist, machten die Proteste der letzten Wochen deutlich. Es gab Demonstrationen sowohl gegen die Regierung in Tripolis wie auch gegen die Regierung im Osten des Landes. Korruption, Kürzungen bei der Energie- und Wasserversorgung, Milizen, die sich Ressourcen und Geld mit Waffengewalt aneignen – die Probleme ähneln sich da wie dort. In der Hauptstadt Tripolis schossen Sicherheitskräfte mit scharfer Munition auf Demonstranten, im Osten Libyens hatten Jugendliche Parlamentsbüros angezündet.

Spätestens seit dem Eingreifen der Türkei wurde deutlich, dass keine der beiden Seiten einen klaren militärischen Sieg erringen könnte, eine Verhandlungslösung scheint ohne Alternative. Ziel soll eine Vereinigung der libyschen Institutionen und die Vorbereitung von Neuwahlen innerhalb von18 Monaten sein.

Bei den Verhandlungen in Bouznika ging es nicht um tiefere Fragen, Verfassung oder Neuwahlen – sondern um die Besetzung von Schlüsselposten. Chefs wurden gesucht – und offenbar gefunden – für die Zentralbank, die staatliche Ölgesellschaft und die Armee.

Es ist naheliegend, dass die Einigung nicht ohne Druck von außen zustande kam. Russland und die Türkei unterstützen unterschiedliche Seiten und verhandelten über einen Waffenstillstand, die ägyptische Regierung und andere arabische Staaten sind involviert, Frankreich und Italien haben ihre eigenen gegensätzlichen Interessen. Und nicht zu vergessen: Berlin. Der Berliner Libyen-Gipfel im Januar brachte keine messbaren Resultate. Nun soll es im Oktober eine zweite, virtuelle Auflage geben mit Vertretern der Konfliktparteien und ihrer internationalen Unterstützer. Bis dahin sollten allerdings erste Ergebnisse der Verhandlungen in Marokko bereits sichtbar sein.

Die Arabische Liga und die Gemeinschaft der Sahel- und Saharastaaten begrüßen die Verhandlungsinitiative in Marokko, Premierminister as-Sarradsch und andere sprechen bereits von einer „Neuen Phase“ der Entwicklungen in Libyen – nicht zum ersten Mal.

Nur der türkische Präsident scheint – zumindest vom Rücktrittsangebot des Premierministers – überrascht und enttäuscht. „Diese Nachricht hat uns empört“, erklärte Erdogan gegenüber Journalisten in Istanbul und ergänzte: „Mit Gottes Hilfe werden wir diese Entwicklung wieder in die richtige Bahn lenken.“ Die militärische Intervention der Türkei soll schließlich nicht ohne Resultat bleiben.

Vielleicht können die Verhandlungen nach dem militärischen Patt tatsächlich eine neue Phase einläuten. Nach Ende der Verhandlungen brachten zwei Flugzeuge vom Flughafen Casablanca die Delegationen wieder nach Libyen zurück, eines nach Tripolis, das andere nach Tobruk. Einige Libyer, die wegen Corona in Marokko gestrandet waren, konnten jetzt mit der einen oder anderen Delegation in ihre Heimat zurückfliegen. Die Verhandlungen werden Ende September fortgesetzt.

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"Schlüsselposten besetzt", UZ vom 25. September 2020



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