Schlimmes Urteil

Herbert Becker zum Urheberrecht

Ein Urteil des Bundesgerichtshofes vom 20. Dezember 2018 könnte schlimme Folgen haben: Ein Museumsbetreiber verklagte den Autor eines „Wikipedia“ Artikels auf Unterlassung. Er hatte Fotos von den ausgestellten Kunstwerken auf „Wikimedia“ hochgeladen. Die Bildmotive gaben Kunstwerke wieder, die keinem Urheberrechtsschutz unterliegen. Der Wikipedianer hatte sowohl eigene Aufnahmen angefertigt als auch Bildmaterial des Museums eingescannt. Das Museum berief sich auf sein Hausrecht. Das Fotografieren sei in seinen Räumlichkeiten verboten und an den vom Museum beauftragten und finanzierten eigenen Fotografien bestehe der urheberrechtliche „Lichtbildschutz“.

Mit guten Gründen gibt es eine internationale, verbindliche Regelung zum „Schutz des geistigen Eigentums“, die sogenannte „Berner Übereinkunft“. Sie soll den Urheber, also den Schriftsteller, den Musiker, den Fotografen, den Bildhauer, den Filmemacher davor schützen, dass sein Werk nach Belieben von anderen benutzt, kopiert, auf welche Art auch immer verwendet wird. Die Arbeitsleistung, die der Urheber erbracht hat, soll ihm oder ihr nicht nur künstlerische Anerkennung bringen, sondern durch Verkauf des Werks oder Abtretung von Verwertungsrechten auch materiell einen Nutzen bringen. Dieses System, im Grundsatz international nicht nur anerkannt, sondern auch wirksam angewandt, treibt natürlich auch manch seltsame Blüten. Findige Anwälte finden Lücken oder versuchen zu beweisen, dass das Urheberrecht über die 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers noch weiter gelte und schreiben ihre Abmahnbriefe.

Nun gab das Bundesgericht dem Museum recht; das bedeutet im Klartext, dass durch das willkürliche Hausrecht durch eine solche Konstruktion eines Museums eine neue Art Urheberrecht quasi auf ewig geschaffen würde. Wer zum Beispiel seinen Besuch in einem Museum nutzt, um sein Lieblingsbild abzulichten und Monate später auf die Idee kommt, dieses Bild für die Einladung zu einer Veranstaltung zu nutzen, riskiert einen Abmahnbrief. Mit diesem Urteil will der Bundesgerichtshof für Werke der bildenden Kunst  allerdings eine Verlängerungsmöglichkeit bis zum Sankt-Nimmerleinstag. Viele Bürger fragen sich, warum sie Museen eigentlich mit ihren Steuergeld finanzieren sollen, wenn diese den Umgang mit Werken ähnlich umfassend einschränken können wie ein privater Sammler.

Das jetzige „Urheberrecht“ scheint sich in sein Gegenteil zu verkehren, nicht mehr der Schutz des Künstlers an seinem Werk und seiner Verwertung steht im Vordergrund, sondern nur das eigentlich zeitlich begrenzte „Recht“ der Verwerter bzw. Rechtebesitzer. Neoliberalistisch soll das individuelle Eigentum ersetzt werden durch Profitmacherei von Medienkonzernen und staatlichen Institutionen, die das gleiche Geschäft betreiben wollen.

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht allerdings Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher freuen wir uns, wenn Sie sich für ein Abonnement der UZ (als gedruckte Wochenzeitung und/oder in digitaler Vollversion) entscheiden. Sie können die UZ vorher 6 Wochen lang kostenlos und unverbindlich testen.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Schlimmes Urteil", UZ vom 18. Januar 2019



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol Haus.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit