Krieg, Armut, Not und Hunger peinigen den Jemen

Schlimmer als Corona

Biblische Plagen, sintflutartige Regenfälle, ein erneuter Cholera-Ausbruch, Bedrohung durch Corona, Armut, Not und Hunger peinigen den Jemen. Es sind die menschengemachten Übel des Krieges. Saudi-Arabien will Mansur Hadi wieder an die Macht bomben, einen Präsidenten, der keinen Rückhalt im Land hat. Es wird dabei unterstützt von den USA, Britannien und anderen westlichen Staaten. Doch nach der Ankündigung der sezessionistischen Bewegung im Süden des Jemen, das Gebiet unter ihrer Kontrolle vom Jemen zu lösen, kontrolliert dieser Präsident nicht einmal mehr die Ersatzhauptstadt Aden.

Fünf Jahre des Krieges haben Zehntausende getötet, die Infrastruktur, Straßen und das Gesundheitswesen zerstört. 500 Cholerafälle in einer Woche in einem Krankenhaus in der Hauptstadt des Jemen stellen selbst die Bedrohung durch Corona in den Schatten. Massive Regenfälle haben Wasser verunreinigt, Straßen und Häuser weiter beschädigt. Die Folgen haben bis zu 100.000 Menschen zu tragen, vor allem in der Küstenstadt Aden.

Ein Waffenstillstand für zwei Wochen, der von Saudi-Arabien verkündet wurde und vordergründig der Bekämpfung von Corona dienen sollte, stand nur auf dem Papier. Eine Verlängerung womöglich bis zum Ende des Ramadan gab es nicht. Und im Süden des Jemen geht der Krieg im Krieg weiter. Ende April verkündete der „Südliche Übergangsrat“ (STC), die Gebiete unter seiner Kontrolle würden sich vom Rest des Jemen abspalten.

Süd- und Nordjemen hatten sich erst 1990 vereinigt, doch gibt es im Süden eine starke Bewegung für eine Trennung vom Norden. Und hinter dem Streit um die Unabhängigkeit des südlichen Landesteils stehen die unterschiedlichen Interessen Saudi-Arabiens und der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), die nur offiziell Verbündete sind.

Tatsächlich unterstützen die VAE die Sezessionisten des SCT gegen die Truppen, die im Auftrag Saudi-Arabiens den Präsidenten Hadi an die Macht bringen sollen. Neben dem Streit um die Rolle der islamistischen Islah-Partei geht es dabei auch um die Kontrolle über die wichtige Seestraße des Bab al-Mandab.

Dieser Konflikt kulminierte im August letzten Jahres im Kampf um Aden. Der STC brachte dabei die Regierungsgebäude unter seine Kontrolle, Saudi-Arabien bombardierte zur Warnung die Truppen seiner Verbündeten.
Eine Einigung zwischen den VAE und Saudi-Arabien – das Riad-Abkommen – brachte vorübergehend Ruhe. Saudi-Arabien verkündete die Einigung als nachhaltige politische Lösung, die die unbedingt nötige Stabilität in den Süden des Landes bringe. Doch die im Abkommen vorgesehene Umorganisation von Polizei und Militär, die Einbindung des STC in die Regierungsarbeit und die Verhandlungen mit den Ansar Allah und die Kontrolle Saudi-Arabiens über die Umsetzung – das alles blieb wohl auf dem Papier.

Ende April besetzten Einheiten des SCT erneut die Regierungsgebäude in Aden, ebenso Banken, Hafen und den Flughafen. Am 25. April verkündete der STC die Selbstverwaltung der südlichen Provinzen und rief zugleich den Notstand aus.

Für den Jemen ist der Krieg eine Katastrophe. Doch auch für Saudi-Arabien wird dieser Krieg immer mehr zu einer Belastung. Im Norden des Jemen erringen die Ansar Allah weitere militärische Erfolge und gewinnen damit auch neue Verbündete unter den lokalen Stämmen. Der neuerliche Streit um Aden und den Süden des Landes, der teure Krieg gegen die Ansar Allah und zugleich sinkende Einnahmen aus dem Ölgeschäft – dieser Krieg ist für Saudi-Arabien und seine Verbündeten in Washington und London schon lange nicht mehr zu gewinnen.

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"Schlimmer als Corona", UZ vom 8. Mai 2020



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