Tarifrunde Öffentlicher Dienst: Bericht eines Streikenden aus Kiel

Schlichtung? Streiks vorbereiten!

Kilian Tillmann

Es ist Montag, der 17. März, 22.30 Uhr. In der WhatsApp-Gruppe meines ver.di-Vertrauensleutekörpers kommt die Nachricht: „Die Verhandlungen im Öffentlichen Dienst sind gescheitert, die Arbeitgeber haben die Schlichtung angerufen.“ Unser Gewerkschaftssekretär ruft uns auf, am nächsten Morgen zur Streikkundgebung zu kommen. Es wird noch schnell ein Streikposten ab 6 Uhr morgens vor dem Werkstor organisiert und der Wecker auf 4 Uhr morgens gestellt.
Dann geht es los: Es ist 6 Uhr morgens vor dem Werkstor. Viele meiner Kolleginnen und Kollegen haben den Aufruf zur Streikkundgebung gar nicht mehr mitbekommen, drehen aber bereitwillig vor dem Werkstor um, um sich auf den Weg dorthin zu machen. Mein Ausbilder bietet an, mich mitzunehmen.

8.30 Uhr, Nordmarksportfeld: Circa 1.000 Kolleginnen und Kollegen sind zur Versammlung gekommen, um aus erster Hand vom Scheitern der Tarifverhandlungen zu erfahren.

Dass wir in Kiel unmittelbar nach dem Scheitern der Verhandlungen zum Warnstreik aufgerufen wurden, war eine Besonderheit. Ohne die Streikkundgebung wäre es schwer gewesen, die doch sehr komplexe Situation zu kommunizieren, denn gewerkschaftliche Vertrauensleutestrukturen und Betriebsgruppen sind nicht flächendeckend vorhanden. In Kiel hat sich bereits im Vorfeld gezeigt, dass solche Großversammlungen wichtig sind, um alle Kolleginnen und Kollegen mitzunehmen und im besten Fall Raum für Diskussionen zu schaffen. So haben die Beschäftigten der Landeshauptstadt Kiel eine solche Versammlung abgehalten, um über die Strategien und die Einbindung aller Kolleginnen und Kollegen zu diskutieren.

Unser Bezirksgeschäftsführer tritt nun sichtlich übermüdet vor die Streikenden und beginnt, von den Geschehnissen des Wochenendes zu berichten. Er betont immer wieder, dass die Angebote, die die Arbeitgeber bei den Tarifgesprächen vorgelegt haben, vollkommen ungenügend waren. Jetzt gehe es darum, Druck aufzubauen und die Beschäftigten auf einen möglichen Erzwingungsstreik vorzubereiten.

Das heißt also: Die Arbeitgeber haben die Verhandlungen für gescheitert erklärt, weil sie nicht bereit waren, Geld für die Kolleginnen und Kollegen in die Hand zu nehmen, während sie gleichzeitig die unbegrenzten Kriegskredite im Bundestag ermöglichen.

Roland Koch wird in der Schlichtung die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) und den Bund vertreten. Er wird die berechtigten Inte­ressen der Beschäftigten mit Füßen treten und dem öffentlichen Dienst für die nächsten Jahre Reallohnverluste verordnen. Mit Roland Koch stellen die Arbeitgeber dieses Mal den Schlichter, der im Falle einer Abstimmung das Zünglein an der Waage sein wird.

Das bedeutet: Entweder müssen wir uns als Gewerkschaft diesen Kahlschlag gefallen lassen oder endlich wieder lernen zu kämpfen und in den Erzwingungsstreik zu treten.

Während der Schlichtung darf zwar nicht gestreikt werden. Wir müssen jedoch die Zeit nutzen, um die Streikbereitschaft zu erhöhen und mehr und mehr Kolleginnen und Kollegen in Aktionen einzubinden. Sonst droht die Annahme eines bodenlosen Schlichterspruchs.

So lautet zumindest die Ankündigung von ver.di: Über den Schlichterspruch wird in einer Mitgliederbefragung abgestimmt werden. Da kommt es auf uns alle an!

Für uns heißt das: mit den Kolleginnen und Kollegen im Betrieb reden, sie davon überzeugen, dass wir den Arbeitgebern zeigen müssen, dass man mit uns nicht alles machen kann, dass wir bereit sind, uns zu wehren. Innerhalb von ver.di geht es darum, möglichst viele Bereiche streikfähig zu machen und damit den größtmöglichen wirtschaftlichen Druck zu verbinden. Möglichst alle, die zum Streik bereit sind, müssen eingebunden werden – auch, um auch den öffentlichen Druck zu maximieren. Außerdem ist es wichtig, dass sich alle Kolleginnen und Kollegen, die Mitglied der ver.di-Tarifkommission sind, der Tragweite ihres Votums bewusst werden. Da ist es sicher hilfreich, sie regelmäßig daran zu erinnern.

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"Schlichtung? Streiks vorbereiten!", UZ vom 28. März 2025



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