Wenn die Tage kürzer werden, das Wetter schlechter und die Stimmung trüber, dann ist es Zeit für einen der Höhepunkte des kommunalpolitischen Kalenders. Am vergangenen Donnerstag war es wieder so weit. Die November-Steuerschätzung, die auch so heißt, wenn sie schon im Oktober verkündet wird, wurde bekanntgegeben. Das wenig überraschende Ergebnis: Die Lage ist schlechter als gedacht.
Bis zum Jahr 2028 sollen Bund, Länder und Kommunen zwar steigende Einnahmen verzeichnen, aber dabei rund 58,1 Milliarden Euro weniger einnehmen als noch im Mai von den Steuerschätzern angenommen. Solche Zahlen sind mit Vorsicht zu genießen. Wer im Mai nicht in der Lage ist, die Steuereinnahmen für das laufende Jahr verlässlich zu prognostizieren, sollte sich mit dem Glaskugelblick für die kommenden Jahre zurücknehmen. Ein Trend ist jedoch nicht von der Hand zu weisen: Während der Bund mit einer Steigerung seiner Einnahmen von 4,5 Prozent rechnen darf, hinken Länder und Kommunen mit 2,5 Prozent hinterher.
Vor diesem Hintergrund warnt Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, vor einer langen „Durststrecke“. „Auf absehbare Zeit wird das Wachstum der Steuereinnahmen größtenteils nur noch die Inflation ausgleichen können. (…) Für zusätzliche Aufgaben und Ausgaben besteht kaum noch Spielraum – vor allem bei den Kommunen“, so Dedy.
Anstatt in Infrastruktur und Daseinsvorsorge zu investieren, wird in den kommenden Jahren der Rotstift regieren. Das ist allerdings keine neue Erkenntnis, sondern fester Bestandteil der herrschenden Kanonen-statt-Butter-Politik. Die Kosten für Aufrüstung, Krieg und Waffenlieferungen werden der Bevölkerung aufgebürdet – auch über Kürzungen bei den kommunalen Ausgaben. Die Erscheinungsform dieses Kahlschlags unterscheidet sich von Ort zu Ort. Einige Schwerpunkte für das kommende Jahr sind dennoch bereits abzulesen.
Im kommunalen Bildungssektor wird es zu deutlichen Einschnitten kommen. Schon heute sind 35,7 Prozent aller Bibliotheken in Städten mit mehr als 100.000 Einwohnern von Haushaltskonsolidierungsmaßnahmen betroffen, wie aus einer Erhebung des Deutschen Bibliotheksverbandes hervorgeht. Insgesamt muss fast jede vierte Bibliothek (23,1 Prozent) Kürzungen hinnehmen. Die Folgen: Stellenstreichungen und Wiederbesetzungssperren, verringerte Öffnungszeiten, weniger Veranstaltungen, ein verkleinertes Medienangebot und geschlossene Zweigstellen. Knapp die Hälfte der Bibliotheken kann notwendige Baumaßnahmen nicht mehr umsetzen (48,6 Prozent). Diesem Niedergang steht ein erhöhtes Bedürfnis in der Bevölkerung gegenüber. In Zeiten von Krieg, Krise und wachsender Armut greifen die Menschen auf die meist günstigen Angebote der öffentlichen Bibliotheken zurück. Die Zahlen der Besucher und der ausgeliehenen Medien sind im vergangenen Jahr deutlich gestiegen.
Ebenfalls hoch bleibt der Bedarf an Integrationskursen. Doch die Bundesregierung plant, die Mittel dafür um etwa die Hälfte zusammenzustreichen. Im laufenden Jahr stellt der Bund circa 1 Milliarde Euro zur Verfügung, während die realen Kosten in den Kommunen bei rund 1,2 Milliarden Euro liegen, wie der Deutsche Städtetag mitteilte. Im Jahr 2025 sind nur noch 500 Millionen Euro im Bundeshaushalt vorgesehen. Die Zahl der Teilnehmer wird jedoch voraussichtlich nicht sinken. Viele Geflüchtete sind sogar zur Teilnahme verpflichtet. Besser lässt sich die gezielte Überforderung der Kommunen kaum illustrieren. Schon heute gibt es zu wenig Kurse und zu lange Wartezeiten an den Volkshochschulen. Mit den geplanten Kürzungen befürchtet der Paritätische Wohlfahrtsverband ein „Herunterfahren des Systems“ mit gravierenden Folgen: „Einmal abgebaute Strukturen lassen sich auch im Fall einer Mittelaufstockung im Laufe des Haushaltsjahres nicht einfach revidieren. Qualifizierte Lehrkräfte erhalten keine neuen Verträge und gehen dem Integrationsbereich verloren.“ Verwaltungsmitarbeiter müssten „sich auf Kurzarbeit einstellen und zu anderen Arbeitgebern wechseln“.
Der geplante Kahlschlag trifft in den Kommunen auf einen ohnehin schon völlig überlasteten Bildungssektor. Gerade einmal 13 Prozent der Gemeinden haben im vergangenen Jahr genug investiert, um den Zustand ihrer Schulgebäude zu erhalten, wie aus dem aktuellen „KfW-Kommunalpanel“ hervorgeht. Bei der Kinderbetreuung waren es 16 Prozent. Damit steigt der Sanierungsstau, der allein in den Bereichen Kita und Schule mehr als 67 Milliarden Euro beträgt, weiter an. Die verfallenden Bildungsstätten werden mehr und mehr zu Mahnmalen der geforderten „Kriegstüchtigkeit“.