Wie es sich für die „Sicherheitspolitische Sprecherin“ der Grünen im Bundestag gehört, ist Sara Nanni eine Hardlinerin. Natürlich forderte sie die Lieferung von „Taurus“-Marschflugkörpern und warb mit größter Selbstverständlichkeit für den Kriegseinsatz der Bundeswehr im Roten Meer. Dabei zeigte sie sich sogar von ihrer herzlichen Seite. „Wir denken an Sie“, gab sie den ausgesandten Soldaten mit auf den Weg. Wie sehr sich die Mannschaft der Fregatte „Hessen“ über die Poesiealbumsrhetorik aus Berlin freute, ist nicht bekannt. In Sachen Militarismus, so darf man annehmen, ist die Abgeordnete nur schwer zu beeindrucken. Doch auch Frau Nanni erlebt noch Überraschungen.
Eine suchte sie am 7. Januar dieses Jahres heim. Da trat Annalena Baerbock (Grüne) im Jerusalemer King David Hotel vor die Presse und verkündete, dass sie offen für die Lieferung von weiteren „Eurofightern“ nach Saudi-Arabien sei. Nanni zeigte sich „irritiert“. Auch andere grüne Abgeordnete verstanden die Welt nicht mehr. Die Ministerin hätte ihr „Zugeständnis“ mit der Durchsetzung von „Taurus“-Lieferungen verknüpfen müssen, schimpften laut „Spiegel“ einige Fraktionsmitglieder am nächsten Tag.
Die Grünen stützen sich in ihrer Kriegstreiberei auf eine spezialisierte Form des Menschenrechtsimperialismus, den vermeintlichen Kampf für Gleichberechtigung und Frauenrechte. Saudi-Arabien passt da schlecht ins Bild. Das hatte schon der Parteitag der Grünen im Oktober 2022 erkannt und Baerbock für einen anderen Rüstungsdeal mit dem Golfstaat angezählt. Die Außenministerin begründete die Waffenlieferung damals damit, dass es sich um ein sparsames „Gemeinschaftsprojekt“ zur Aufrüstung handele. Ohne die Lieferungen hätte Bundesfamilienministerin Lisa Paus keine Mittel mehr „für die Kinder, die sie dringend brauchen“. Wenig später wurde die damit gemeinte Kindergrundsicherung fast vollständig eingestampft
Vor einem Jahr, am 1. März 2023, stellte Baerbock dann ihre „Leitlinien zur Feministischen Außenpolitik“ vor. In der Auftaktrede beklagte die vielreisende Ministerin, dass die Versorgung mit Hygieneartikeln in vielen Hotels schlechter sei „als in den Flüchtlingscamps, weil man das da offensichtlich nicht mitdenkt“. Es sollte also mehr mitgedacht und hingeguckt werden. Deswegen blockierte das Außenministerium humanitäre Unterstützung für Afghanistan und begründete dies mit mangelnden Frauenrechten. Weil die Taliban ein Beschäftigungsverbot für Frauen verhängt hatten, ließ die Bundesregierung diese Frauen und ihre Kinder hungern. Ein feministisches Lehrmodell, wie Baerbock fand, „weil andere auch hinschauen. Huthis zum Beispiel.“
Doch die „Huthis“, gemeint sind die jemenitischen Ansar Allah, hatten offensichtlich ein völlig anderes Verständnis von Menschenrechten entwickelt. Denn sie schauten auch hin, als die israelische Armee einen Völkermord in Gaza begann, dem inzwischen mehr als 30.000 Menschen zum Opfer gefallen sind – 70 Prozent davon Frauen und Kinder. Die Ansar Allah wollten durch den Beschuss von Schiffen im Roten Meer einen Waffenstillstand erzwingen. Als Dank für so viel Aufmerksamkeit kreuzt nun ein deutsches Kriegsschiff vor Jemens Küste, während westliche Streitkräfte das Land bombardieren.
Die Außenministerin, die bei der Leitlinien-Vorstellung noch getönt hatte, „wenn Frauen nicht sicher sind, dann ist niemand sicher“, wurde Ende November mit der Forderung nach einem Waffenstillstand in Gaza konfrontiert. Sie lehnte ab: „Ich verstehe total den Impuls in dieser furchtbaren Situation, wo unschuldige Kinder, Menschen, Frauen, Mütter, Familien nicht nur so furchtbar leiden, sondern ums Leben kommen“, sagte sie bei einem EU-Außenministertreffen, doch Impulse würden nicht ausreichen. Die gnadenlose Unterstützung Israels durch die Bundesregierung besorgte die Restentleerung der „feministischen“ Floskeln.
Absurd war der Ansatz schon vorher gewesen. Mit großem Eifer befeuerte das Außenministerium den Stellvertreterkrieg in der Ukraine, während die eigenen Leitlinien für „Rüstungskontrolle und Abrüstung“ sowie „menschliche Sicherheit und Schutz der Zivilbevölkerung“ warben. Den Widerspruch ahnend, erklärte Baerbock dann in der ARD: „In einer Welt, wo alle in Frieden leben, heißt feministische Außenpolitik auch, in Abrüstung zu investieren.“ Solange aber „diese Waffen im Umlauf sind und insbesondere jemand diese Waffen nutzt“, würden „feministische“ Außenpolitiker eben auch Waffen liefern. Immerhin sollte das den Leitlinien folgend „gendersensibel“ passieren. Zum Beispiel durch die Untersuchung der „geschlechtsspezifischen Auswirkungen von Waffensystemen, insbesondere Atomwaffen“, weil Frauen ein höheres Risiko hätten, „durch die radiologische Strahlung einer atomaren Detonation an Krebs zu erkranken“.
Dass die „feministische Außenpolitik“ nach einem Jahr an öffentlicher Präsenz verloren hat, liegt nicht nur an der offensichtlichen Widersinnigkeit, sondern auch daran, dass der militaristische Staatsumbau propagandistisch vorangeschritten ist. Die Debatte um den Bundeswehreinsatz im Roten Meer hat gezeigt, dass wieder ganz offen von „deutschen Interessen“ gesprochen werden kann. Der vermeintliche Kampf gegen „Antisemitismus“ und für „Demokratie“ verschafft der Regierung eine Atempause an der Heimatfront. Sara Nanni und die Rest-Grünen können sich also entspannen – an den Kampfjets für Saudi-Arabien scheitern sie vorerst nicht.