US-Regierung zeigt sich Kuba gegenüber aggressiver

Schlaflos in Havanna

Von Volker Hermsdorf

Am 1. November werden die 193 Mitgliedsländer der Vereinten Nationen zum 26. Mal seit 1992 über einen jährlich von Kuba eingebrachten Antrag zur Beendigung der US-Blockade abstimmen. Während im letzten Jahr 191 Länder für Kuba votierten und sich die USA wie auch Israel zum ersten Mal der Stimme enthielten, rechnen Beobachter in diesem Jahr mit einem Rückschlag. In einer aggressiven Rede hatte US-Präsident Donald Trump die Fortsetzung der seit 55 Jahren bestehenden Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade angekündigt. „Wir werden die Sanktionen gegenüber der kubanischen Regierung nicht aufheben, solange sie keine fundamentalen Reformen durchführt“, erklärte er am 19. September vor der UN-Generalversammlung.

Seit dem Amtsantritt des neuen Präsidenten bestimmen ultrarechte Vertreter der Republikanischen Partei zunehmend die Kuba-Politik der USA. Exilkubanische Contras in Florida wie Senator Marco Rubio und die Kongressabgeordnete Ileana Ros-Lehtinen fordern sogar den Abbruch der erst 2015 wieder aufgenommenen diplomatischen Beziehungen und treiben das Weiße Haus in einen neuen Kalten Krieg gegen Kuba. Als vorerst letzte Stufe der Eskalation wiesen die USA Anfang Oktober 15 kubanische Diplomaten aus dem Land. US-Außenminister Rex Tillerson rechtfertigte die Maßnahme als „Reaktion auf den Mangel an Schutz für US-Diplomaten in Kuba“. Zuvor hatte Washington bereits die Hälfte des Botschaftspersonals aus der kubanischen Hauptstadt abgezogen. Kubaner erhalten seitdem keine Visa mehr für die USA. Den Vorwand für die politisch motivierte Aktion lieferten angebliche Schallangriffe auf Botschaftsmitarbeiter in Havanna, deren Ursache, wie das US-Außenministerium zugibt, jedoch völlig ungeklärt ist. Laut Medienberichten haben seit Ende letzten Jahres bereits 22 Beschäftigte der US-Botschaft über mysteriöse Symptome wie Hörverlust, Schwindel, Kopfschmerzen, Erschöpfung und Schlafstörungen geklagt.

Die für die USA zuständige Abteilungsleiterin im kubanischen Außenministerium, Josefina

Vidal, wirft Washington vor, mit dem einseitigen Vorgehen die bilateralen Beziehungen und die Zusammenarbeit an Projekten von gegenseitigem Interesse zu beeinträchtigen. Auf die Frage eines CNN-Reporters antwortete Kubas Außenminister Bruno Rodríguez auf einer Pressekonferenz in Havanna, dass die USA den kubanischen Ermittlern bislang nicht gestattet hätten, die Wohnungen der Betroffenen zu überprüfen. Kubanische Ärzte und Spezialisten hätten bisher auch keinen der vermeintlich Erkrankten untersuchen oder mit den betreuenden US-Medizinern sprechen dürfen. Das US-Magazin „The Nation“ beklagte, dass bisher keiner der angeblich Betroffenen namentlich genannt wurde oder sich selbst öffentlich geäußert habe. Die von einigen Medien aufgeworfene Möglichkeit eines Angriffs durch ein Drittland oder durch Terroristen wies der kubanische Außenminister als Spekulation und „Science Fiction“ zurück. Die einzigen Anschläge in Kuba seien bisher von Gruppen verübt worden, die vom Boden der Vereinigten Staaten aus operierten, sagte Rodríguez.

Während antikommunistische Contragruppen in Miami die jüngsten Entscheidungen Washingtons feierten, reagierten Politiker in den USA mit Unverständnis und Ablehnung. Der Gouverneur des US-Bundesstaates Virginia, Terry McAuliffe, warnte vor negativen Folgen für die USA. Trumps Kurswechsel sei „ein weiteres besorgniserregendes Beispiel dafür, dass diese Regierung die Position unseres Landes in der Welt schwächt“, kritisierte er. Die demokratischen Senatoren Ben Cardin (Maryland) und Patrick Leahy (Vermont) forderten die Trump-Administration auf, Entscheidungen von derartiger Tragweite künftig zuvor dem Kongress zur Beratung vorzulegen. Die Kongressabgeordneten Barbara Lee (Kalifornien) und Kathy Castor (Florida) warfen Trump zudem vor, das Thema zu instrumentalisieren, um „den historischen Fortschritt in den Beziehungen zwischen den USA und Kuba“ zurückzudrehen.

Trotz der Querschüsse bemühen sich Vertreter der US-Wirtschaft die Zusammenarbeit fortzusetzen. Am Freitag letzter Woche unterzeichneten Manager des US-Hafens Cleveland (Ohio) in Havanna eine Grundsatzvereinbarung (Letter of intent) über künftige Kooperationen mit Kuba. Dessen Außenminister hatte bereits am 22. September in New York deutlich gemacht, dass sein Land die Attacken aus Washington nicht mit gleicher Münze heimzahlen werde. „Kuba und die Vereinigten Staaten können zusammen arbeiten und zusammen leben, wenn man die Unterschiede respektiert und all jenes fördert, das beiden Völkern zugute kommt, aber man sollte nicht erwarten, dass Kuba dafür Konzessionen macht, die seine Souveränität und Unabhängigkeit betreffen“, erklärte Bruno Rodríguez vor der UN-Generalversammlung.

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"Schlaflos in Havanna", UZ vom 13. Oktober 2017



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