Streit in der Partei „Die Linke“ hält an. Ko-Vorsitzender kündigt Friedensratschlag an

Schirdewan hört die Signale

In München demonstrierten Mitte Februar 20.000 Menschen gegen die ­NATO-Sicherheitskonferenz. In Berlin versammelten sich eine Woche später an die 50.000, um ein Zeichen gegen Waffenlieferungen in die Ukraine und für Friedensverhandlungen zu setzen. Der Druck der Straße wirkt offenbar auch auf die Linkspartei.

Die Großkundgebung vom 25. Februar am Brandenburger Tor und das „Manifest für den Frieden“ mit mehr als 740.000 Unterstützern, beides initiiert von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer, hatten in der Partei „Die Linke“ nicht für Begeisterung gesorgt. Im Gegenteil distanzierte sich die Parteispitze von den Massen und stieß mit den bürgerlichen Medien in ein Horn, weil am Brandenburger Tor ein Dutzend Rechte gesichtet wurde. Wagenknecht hat nun ihre Schlüsse gezogen. Sie will bei Wahlen künftig nicht mehr für ihre Partei kandidieren. Ob sie ein eigenes Projekt auf den Weg bringt, ist ungewiss. Jüngste Umfragen sprechen ihr 19 Prozent der Wählerstimmen zu. Großes Bedauern über ihren Rückzug gibt es beim Führungspersonal der Linkspartei dennoch nicht. Die Chefin der Berliner Landesorganisation, ­Ka­tina Schubert, ätzte: „Ich sag’s mal so: Reisende soll man nicht aufhalten.“

Weniger deutliche Worte gibt es für jene, die in der Partei seit Februar letzten Jahres nur noch einen Kriegsverbrecher kennen, nämlich Russland, und die sich für Sanktionen und auch Waffenlieferungen an die Ukraine aussprechen. Kaum Reaktionen scheint es auf Nazi-Versteher in den eigenen Reihen zu geben. Oder wie soll man es nennen, wenn Jonathan Wiegers, Landessprecher der Linksjugend Brandenburg, sein Austrittsschreiben „mit antifaschistischen Grüßen“ und dem ukrainischen Nationalistengruß „Slawa Ukrajini“ beendet? Oder wenn die ebenfalls aus Brandenburg stammende Anke Domscheit-Berg, Mitglied des Bundestages, neben einem Plakat „Good Ruzian, Dead Ruzian“ – „Nur ein toter Russe ist ein guter Russe“ – posiert?

Am vergangenen Wochenende hatte der Bundesausschuss der Partei einen Antrag auf eine Dringlichkeitssitzung des Gremiums zum Thema Friedenspolitik mit knapper Mehrheit abgelehnt. Den Initiatoren ging es darum, „die rationale Debatte zwischen unterschiedlichen innerparteilichen Positionen zu befördern“. Das war offenbar nicht gewollt, obwohl sich Austritte und Rückzüge aus beiden Lagern häufen.

Am Montag trat dann Ko-Vorsitzender Martin Schirdewan vor die Presse, um die Wogen zu glätten. Seine Partei wolle Vertreter der Friedensbewegung zu einem Friedensratschlag einladen und im Sommer eine Konferenz zum Thema durchführen. Zudem betonte er die Wichtigkeit der anstehenden Ostermärsche und kündigte an, dass sich „Die Linke“ daran beteiligen werde. Die Inhalte, mit denen die Partei dabei sein will, entsprechen deren Auftreten am 24. Februar: Gegen Waffenlieferungen und für den Abzug der russischen Truppen aus der Ukraine. Als Drittes nannte Schirdewan die Notwendigkeit diplomatischer Lösungen für den Krieg in der Ukraine, die allerdings mit genannter Vorbedingung an Russland nicht zustande kommen können.

Attacken auf Schirdewans Versuch, auf die Friedenskräfte in und außerhalb seiner Partei zuzugehen, werden nicht lange auf sich warten lassen. Über den Zerfall der Partei „Die Linke“ darf sich niemand freuen, der die Notwendigkeit einer starken Friedensbewegung in dieser Zeit höchster Weltkriegsgefahr sieht. Es ist daher zu hoffen, dass sich tatsächlich tausende Mitglieder der Partei „Die Linke“ an den diesjährigen Ostermärschen beteiligen und für sie mobilisieren.

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"Schirdewan hört die Signale", UZ vom 10. März 2023



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