Dr. Ulrich Schneider, Das Potsdamer Abkommen Grundlagen für eine friedliche und antifaschistische Nachkriegsentwicklung, Juli 2015, DIN A5, 40 Seiten, 2, – Euro
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(…) Wie der Kriegsverlauf das Zustandekommen der Konferenzen in Teheran, Jalta und Potsdam bewirkte, so hatte das politische Geschehen der Nachkriegszeit bedeutende Auswirkungen auf das Schicksal des Potsdamer Abkommens.
Nicht zuletzt wegen der unübersehbaren militärischen Erfolge der Roten Armee und der großen Leistungen der Völker der UdSSR hatten die Sowjetunion und Stalin persönlich großes internationales Ansehen erworben. Die Idee des Sozialismus gewann weltweit zunehmend an Boden und mobilisierte die Unterdrückten all überall, auch in den Kolonien. In Europa hatte die Rote Armee viele Völker Osteuropas befreit und den Osten Deutschlands besetzt, wo deutsche Antifaschisten darangingen, eine konsequent antifaschistische, friedliebende und demokratische Ordnung aufzubauen. Auch in Italien und Frankreich hatten dieselben Kräfte einen beispiellosen Aufschwung erreichen können. Über eine Volksfront strebten sie auch dort Volksdemokratien an.
Westdeutschland in die NATO
In dieser weltweiten Entwicklung sah die nach Roosevelts Tod gebildete reaktionäre US-Administration unter Truman eine „lebensgefährliche“ Bedrohung. Hatten die USA im Ergebnis des Zweiten Weltkrieges mit verhältnismäßig geringen eigenen Opfern ihre Weltmachtposition ganz erheblich ausbauen können, so mussten sie sich eingestehen, dass im Ergebnis des Sieges der Roten Armee über den Hitlerfaschismus dort nicht nur eine starke zweite – sozialistische – Weltmacht entstanden, sondern auch politisch der Einfluss des Sozialismus in der ganzen Welt erheblich gewachsen war. Kündigte sich damit womöglich das Ende des Imperialismus an?
Weiterhin war abzusehen, dass mit der Verwirklichung des für die Besatzungszeit vereinbarten Potsdamer Abkommens in Gestalt eines friedliebenden, demokratischen, antifaschistischen und einheitlichen Deutschland den US-amerikanischen Truppen der Rechtsgrund für ihre Anwesenheit in Deutschland – und damit in Europa – verlorengehen würde: Man hätte die Truppen, die mit Mühe und Kosten über den „großen Teich“ nach Europa gebracht worden waren, wieder zurückziehen müssen. Das durfte nicht sein! Aus Sicht der USA musste unverzüglich gehandelt werden.
Mit dem Abwurf der ersten Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki läuteten sie den Kalten Krieg ein. Denn dieser Abwurf richtete sich eigentlich nicht gegen Japan, sondern gegen die Sowjetunion – gegen Stalin persönlich, wie Truman ihm am Rande der Konferenz im Schloss Cecilienhof mitteilte. Dank der militärischen Erfolge Chinas und des Eintritts der Sowjetunion im August 1945 in den Krieg gegen das bereits sehr geschwächte Japan stand dessen Niederlage unmittelbar bevor. Japaner wurden als „Versuchskaninchen“ für den Einsatz dieser Waffe missbraucht.
Um von vornherein ein sozialistisches oder gar kommunistisches Europa zu verhindern, bedurfte es eines „Grundes“ für die fortdauernde Anwesenheit der US-Armee. Weiter benötigte man für die avisierte militärische Auseinandersetzung mit der Sowjetunion das militärische Potential der Deutschen, das durch seine geplante, aber erst 1955 erfolgte Einbeziehung in das gegen die Sowjetunion gerichtete Militärbündnis NATO erfolgte.
Solange das besiegte Deutschland von den Alliierten gemeinsam verwaltet wurde, war eine solche Planung irreal. Die erste Voraussetzung für die Durchführung der Pläne der US-Imperialisten war daher die Spaltung und damit die faktische Liquidierung des Potsdamer Abkommens. Begonnen wurde die Spaltung Deutschlands mit einer insgeheim langfristig, bereits im November 1947 komplett vorbereiteten separaten Währungsreform vom Sommer 1948. Zuvor war schon im September 1947 auf der Pariser Konferenz – also ein Dreivierteljahr vor dieser Währungsreform – die einseitige Einbeziehung der inzwischen als eigenständige wirtschaftliche Verwaltungseinheit errichteten (westdeutschen) Bi-Zone in die Marshallplanhilfe mit Kapital aus den USA und entsprechender Abhängigkeit verabredet worden. Das war währungspolitisch die ökonomische Trennung. Es war die Spaltung Deutschlands.
Um das militärische Potential der Deutschen gegen die Sowjetunion zur Geltung zu bringen, brauchte man einen eigenständigen westdeutschen Staat. Üblicherweise schafft sich ein Staat, wenn notwendig, eine Armee, in Westdeutschland lief es genau andersherum ab: Um westdeutsche, in die NATO einzugliedernde Streitkräfte aufzubauen, bedurfte es zuvor eines westdeutschen Staates. Dessen Gründung war somit das Vehikel für den Aufbau der westdeutschen Armee im Rahmen der NATO.
Unmittelbar nach der separaten Währungsreform ordneten deshalb die Militärgouverneure der drei westlichen Besatzungsmächte am 1. Juli 1948 im „Frankfurter Dokument I“ an, bis zum 1. September 1948 – also innerhalb von zwei Monaten! – für Westdeutschland einen (demokratisch aussehenden) Verfassungskonvent einzuberufen, der eine Verfassung für Westdeutschland ausarbeiten und verabschieden sollte. Den Westdeutschen wurde schließlich am 23. Mai 1949 – ohne ihre demokratische Beteiligung – das Grundgesetz vorgesetzt.
Das Haupthindernis für die Einbeziehung Westdeutschlands in die NATO waren die antifaschistischen Kräfte, voran die Kommunisten und andere Demokraten, Sozialisten, friedliebende Bürger, die über die spalterischen Pläne Adenauers in Sorge waren und aktiv gegen die Einbeziehung Westdeutschlands in die NATO sowie gegen die Aufrüstung und die Gefahr eines Bürgerkrieges auftraten. Mit allen dem gerade erst erstandenen Staat zur Verfügung stehenden polizeilichen und juristischen Mitteln wurde gegen diese demokratischen und friedliebenden Kräfte vorgegangen, mit einer beispiellosen Verfolgung, die buchstäblich in vielem an die der Nazis erinnerte.
Was lehrt uns das Zustandekommen des Potsdamer Abkommens und sein Schicksal? Reaktionären, kriegslüsternen – imperialistischen – Kräften kann in den Arm gefallen, und sie können an den Verhandlungstisch gebracht werden, wenn die Völker sich unbeirrbar zusammenschließen und ihre gemeinsame, auch militärische Stärke genügend konsequent zur Geltung bringen. Wenn sich aber die friedliebenden Menschen und die Völker dieser Erde durch jene imperialistischen Kräfte dividieren und gegeneinander aufbringen lassen, rettet sie kein noch so gutes juristisch ausgefeiltes Abkommen, kein Gesetz davor, wieder mit ihrem Blut die Zeche zahlen zu müssen.
Dr. Ulrich Schneider, Das Potsdamer Abkommen Grundlagen für eine friedliche und antifaschistische Nachkriegsentwicklung, Juli 2015, DIN A5, 40 Seiten, 2, – Euro
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