Wenn Politik im Stadion ausgetragen wird

Schickeria München – Linke Bayern-Ultras

Von Andres Irurre

Der FC Bayern München ist heute eine weltbekannte Marke und Fußballmannschaft, die schon immer polarisierte. Sei es auf dem Platz, als dominanter Klub, der mit namhaften Stars von Erfolg zu Erfolg eilt, oder der neben dem Platz immer wieder für Schlagzeilen als „FC Hollywood“ sorgte. An der Säbener Straße ist immer was los.

Im Windschatten der großen Sponsoren und Stars formierte sich in der rot-weißen Südkurve des ehemaligen Olympiastadions eine rege Fanszene. Der Anhang der Bayern rekrutierte sich traditionell eher aus dem Münchner Umland und darüber hinaus, während die Stadt doch eher den blau-weißen Münchener Löwen des TSV 1860 die Daumen drückt.

Der Fan-Support war und ist auch in München wichtig und machte dort vor den verschiedenen Strömungen nicht halt. Der regelmäßige Besuch von Fans großer und traditionsreicher Klubs aus dem europäischen Ausland belebte die Szene, wenn es z. B. im Europapokal zu einem der unzähligen Spiele kam. Die Fanmassen aus Mailand, Barcelona, Madrid, Marseille, London und anderen Städten beeindruckten, einiges wurde übernommen. Die deutsche Fanszene orientierte sich seit jeher eher an der Ultra-Richtung, die ihren Ursprung in den Fankurven Südeuropas hat.

Auf Bayern München berufen sich in aller Welt verstreute Fanclubs, die sich insbesondere bei den Auswärtsspielen und immer wieder verschieden zusammensetzen. Die Idee war, sich unter einem Namen zu sammeln, um so noch aktiver und stärker auftreten zu können. Nach dem Gewinn der Champions League 2001 traten mehrere Fanclubs zusammen unter dem Namen „Projekt T-Block“ auf. Die Stimmung sollte so im unteren Teil des Block T in der Südkurve des Olympiastadions stattfinden. Nach wenigen Spielen war man jedoch nicht zufrieden mit dem Ergebnis. Man erhoffte sich mehr. So trat die Szene erstmals Anfang März 2002 beim Süd-Derby in Stuttgart als „Gruppo Ultra“ auf. Die durchweg positive Stimmung und die Lautstärke gaben ihnen Recht. Nach einige internen Treffen großer und richtungsweisender Gruppen gab man wenig später die Gründung der „Schickeria München“ bekannt – eine neue Ultra-Gruppe war geboren. Sie gehört bis heute zu den bekanntesten und meinungsstärksten Fanszenen in Deutschland.

Leider sieht das der normale Fußballkonsument nicht immer auf den ersten Blick. Das große Engagement der Ultra-Gruppen in sozialen Projekten und städtischer Jugendeinrichtungen stoßen selten auf Resonanz im hysterischen Geschrei der Medien, das ertönt, sobald ein Bengalo abbrennt oder man sich nicht gesittet gegenüber Konzernen wie den Bullen aus Leipzig äußert.

Die überwiegend jungen Menschen der Ultras organisieren selbstständig Nachmittage zum Malen von Fahnen oder ermöglichen Geflüchteten durch Ticket-Aktionen den Besuch eines Bayern-Spiels. Die „Schickeria München“ war es auch, die das Gedenken an den ehemaligen jüdischen Klub-Präsidenten Kurt Landauer wiederbelebte. Seit 2006 organisieren sie jährlich den Kurt-Landauer-Pokal, ein Fußballturnier verschiedener Fanclubs und Freunde unter einem antirassistischen Banner. Für ihren unermüdlichen Einsatz für das Gedenken bekamen sie 2014 den Julius-Hirsch Preis vom DFB, der für „Freiheit, Toleranz und Menschlichkeit“ vergeben wird. Sie waren es auch, die sich klar gegen Homophobie in den Stadien einsetzten und zu den ersten gehörten, die ein „Refugees Welcome“-Banner direkt hinter dem Tor aufhängten. Außerdem unterhalten die rot-weißen Anhänger rege Freundschaften zu anderen Ultra-Szenen, wie den USP (Ultra Sankt Pauli), oder der „Horda Azzuro“ vom FC Carl-Zeiss Jena, den „Ultramarines“ von Girondins Bordeaux oder ins Ruhrgebiet zum VfL Bochum.

Über die vielen Erfolgsfans des FC Bayern kann man nur lächeln, aber der harte Kern der FCB-Fans hat gezeigt, dass es auch anders geht. Das Herz eines Vereins machen immer seine Fans aus. Denn sie sind immer da.

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"Schickeria München – Linke Bayern-Ultras", UZ vom 14. April 2017



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