Gegenüber Libyen, dem Irak, Syrien und Jemen erscheint Ägypten vordergründig als Oase der Stabilität. Diese Art der Stabilität gründet sich aber nicht auf eine wirtschaftliche Entwicklung und allgemeine gesellschaftliche Akzeptanz, sondern auf den Sicherheitsapparat. Mit dem Militärputsch gegen den früheren Präsidenten Mursi wurde die Organisation der Moslembrüder zerschlagen, jegliche Opposition verfolgt.
Die aktuelle Regierung folgt nicht einfach nur den Vorgaben des Westens. Auf der Konferenz in Riad vom 20./21. Mai, deren Abschlusserklärung der Verurteilung des Iran als Unterstützer des internationalen Terrorismus galt, kamen kritische Worte von der ägyptischen Regierung. Sie weiß um die Gefahr für die Stabilität des Landes, die von den Terroristen des IS und al-Nusra ausgeht – nicht vom Iran.
Die Stabilität Ägyptens wird auch von der schlechten wirtschaftlichen Lage bedroht. Im November 2016 wertete die Regierung das ägyptische Pfund ab und erhob zusätzliche Importsteuern. Die Folge war aber nicht der erwünschte Wirtschaftsaufschwung, sondern Preissteigerungen. Sie belasten das Alltagsleben der besser situierten Mittelschichten und erschweren massiv die Lage der Millionen Menschen in Ägypten, die unter der Armutsgrenze leben.
Gegenüber dem Vorjahr lag die Inflation im Februar bei 33 Prozent, die Preise für Lebensmittel stiegen noch mehr. Ein Kredit des IWF ist an die bekannten Bedingungen geknüpft: Streichung oder Reduzierung von Subventionen für Treibstoff, Elektrizität und Nahrungsmittel. Die Regierung wurde umgebildet, doch versuchte Reformen scheitern an der umfassenden Korruption und Bürokratie, die nach wie vor Ägypten beherrschen.
Heftige Kämpfe gibt es immer wieder vor allem im Nordteil des Sinai. Diese Kämpfe zwischen bewaffneten Gruppen, die sich mittlerweile zum IS bekennen und den Sicherheitskräften, tangieren die große Mehrheit der ägyptischen Bevölkerung nicht. So kann die Regierung sie weitgehend ignorieren. Dabei sind hier in den letzten Jahren Hunderte Mitglieder der Sicherheitskräfte getötet worden, Zehntausende Einwohner wurden vertrieben.
Zunehmend geraten christliche Kopten ins Visier des IS. Sie bilden mit ca. 10 Prozent der Bevölkerung eine relativ kleine Minderheit in Ägypten, stellen aber die größte Gruppe von Christen im Nahen Osten dar.
Sie sind auch außerhalb des Sinai zunehmend das Ziel von Angriffen des IS. An Palmsonntag tötete er 45 Kopten in zwei Anschlägen auf Kirchen. Ende Mai töteten Terroristen 29 Kopten in einem Reisebus.
Die letzten Anschläge stellten zunehmend die Fähigkeit des Präsidenten al-Sisi in Frage, die Stabilität im Lande aufrecht zu erhalten – und ohne Stabilität gibt es keine ausländischen Investitionen. Die Reaktion kam prompt und massiv: Die ägyptische Luftwaffe flog eine Reihe von Angriffen auf Ausbildungslager des IS in Libyen.
Al-Sisi erklärte auch, gegen jedes Land vorgehen zu wollen, das den Terrorismus unterstütze und die Stabilität Ägyptens gefährde. Der Bannspruch traf Katar: Gemeinsam mit Saudi-Arabien, Bahrain, dem Jemen und den Vereinigten Arabischen Emiraten brach Ägypten alle diplomatischen Beziehungen zu Katar ab. Dabei haben diese Länder ganz unterschiedliche Interessen in der Region.
Wie stabil kann das ägyptische Herrschaftssystem angesichts der Krisen bleiben? Die Abwertung der ägyptischen Währung im letzten November und ihre Folgen, die Maßnahmen, die der IWF fordert, sind nicht geeignet, die Situation zu beruhigen. Womöglich finden al-Nusra und der IS nach den Niederlagen in Syrien und dem Irak hier ein neues Rekrutierungsfeld.