Scheindebatte

Herbert Becker zu „Staatspresse“ im Netz

Matthias Döpfner, der für Friede Springer die Arbeit im Medienkonzern „Axel Springer SE“ alltäglich macht, sitzt im Glashaus und wirft mit Steinen. Er ist seit einiger Zeit auch Vorsitzender des Verbandes der Deutschen Zeitschriftenverleger (BDZV) und schwadronierte auf der Jahrestagung drauflos. Er hat die Kapitalinteressen der wichtigen Medienkonzerne zu vertreten und Aktivitäten anderer zu stören. Er orakelte, wenn es nur noch öffentlich-rechtliche Sender im Netz gäbe, aber keine privaten Verlage, dann hätten wir „nur Staatsfernsehen und Staatspresse“, also eher „etwas nach dem Geschmack von Nordkorea“. Wie abseitig seine Befürchtung ist, hat weniger mit seinen Vorstellungen von Nordkorea zu tun, sondern mehr mit der Unterstellung, die großen Medienkonzerne könnten ihre Geschäftsmodelle nicht unbehelligt und unbeschadet ausleben. Die beklagte Konkurrenz, die Öffentlich-Rechtlichen Rundfunkanstalten, sind weit davon entfernt, Verlagen mit inhaltlicher Verantwortung und redaktioneller Auswahl in die Suppe zu spucken und das Geschäft zu versauen. Viel eher stellt der Zeitungsleser fest, wie ausgedünnt und ohne Hintergrundinformationen viele Blätter sind und mag ja auf den Webseiten von ARD, ZDF und anderen sich umfassender informiert fühlen.

Deutlich wird Döpfner, wenn er von den bereits umgesetzten neuen Techniken schwärmt, von Roboterjournalismus und algorithmisch gesteuerten Themenplatzierungen auf den Homepages. Die Reduzierung der Redaktionen, die Zusammenlegung von Redaktionen zu „Pools“, die prekäre Situation vieler Journalisten, die nur noch als sogenannte „Freie“ Arbeit finden, darüber kein Wort, denn natürlich ist auch der Axel-Springer-Konzern ganz weit vorne bei den neuen Plattformen, aber das ist Geschäftsgebaren und darf doch nicht kritisiert werden.

Beigesprungen ist Döpfner und seinen Verlegerkollegen der baden-württembergische Ministerpräsident Kretschmann, bekannt für seine unternehmerfreundlichen Sprüche. Er meinte, „die Öffentlich-Rechtlichen müssen den Zeitungen die Luft zum Atmen lassen“ und auch „bei einer Erweiterung des Online-Angebots müssen wir über die Begrenzungen der Textangebote der Sender reden“.

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"Scheindebatte", UZ vom 29. September 2017



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