In der SPD hat das Schaulaufen um den neuen Parteivorsitz begonnen. Gleich 15 Kandidatinnen und Kandidaten – sieben Duos und ein Einzelbewerber – streben das Amt an, von dem man angesichts der Wahldebakel instinktiv die Finger lassen würde. Auf 23 Regionalkonferenzen stellen sie sich bis Mitte Oktober der Mitgliedschaft. Weder gibt es eine Empfehlung der amtierenden Führung, noch klare Favoriten. „Es wird ein Wettbewerb um die großen Zukunftsfragen in diesem Land“, kündigte Generalsekretär Lars Klingbeil vollmundig an. Die Partei hat mobilisiert, die Säle sind gut gefüllt. Der Parteivorstand hatte im Juni, anders als bislang in der SPD üblich, entschieden, die Mitglieder der SPD in den Diskussions- und Entscheidungsprozess um den Vorsitz einzubinden. Anschließend soll es eine Online-Mitgliederbefragung geben. Die endgültige Entscheidung über den Parteivorsitz fällt am Jahresende auf einem Parteitag.
Die Flensburger Oberbürgermeisterin Simone Lange und der Bautzener Oberbürgermeister Alexander Ahrens zogen in Saarbrücken ihre Kandidatur zu Gunsten von Saskia Esken und Ex-NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans zurück. Letztere haben die Unterstützung von Juso-Chef Kevin Kühnert und dem Landesvorstand Nordrhein-Westfalens. Simone Lange gehörte zu den Gründerinnen der Sammlungsbewegung „Aufstehen“. Angesichts der schlechten Umfragewerte und der letzten Wahlergebnisse ist die Kritik an der Führung groß. Die Partei habe in der Großen Koalition an Profil verloren und den Kontakt zu Teilen der bisherigen Wählerschaft, vor allem zu den abhängig Beschäftigten und den sozial Schwachen verloren. Gesundheitsexperte Karl Lauterbach, im vorigen Jahr noch Befürworter der Regierungsbeteiligung, forderte auf den bisherigen Veranstaltungen unter Beifall am lautesten den Ausstieg aus der Großen Koalition.
„Je linker die Forderungen der Kandidaten, desto stärker der Applaus der Zuschauer“, fasste die „Deutsche Welle“ nach der Veranstaltung in Hannover die Stimmung zusammen. Die „Welt“ notierte, dass „diejenigen, die nichts zu verlieren und zu verantworten haben, fröhlich auftrumpfen können mit Forderungen nach mehr sozialer Gerechtigkeit, weniger Kinderarmut, einer Bürgerversicherung für alle oder einem noch höheren Mindestlohn, als Olaf Scholz ihn ohnehin bereits vorgeschlagen hat“. Der Bundesinnenminister – „Olaf, du bist bekennender GroKo-Fan – warum sollen die GroKo-Gegner dich wählen?“ – und der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius gehen aber auch nicht leer aus. Im Grunde mögen alle alle.
Die Mehrheit der Bewerberinnen und Bewerber forderten munter eine Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung, mehr Unterstützung für sozial Schwache, gerechte Löhne, mehr Geld für Bildung, bezahlbare Mieten, eine Kindergrundsicherung, die Abschaffung der Paragrafen 218 und 219a, Bürgerversicherung, einen bezahlbaren öffentlichen Nahverkehr, schnelles Internet auf dem Land, Geld für Klimaschutz und die drastische Begrenzungen für Vorstandsgehälter und die Wiedereinführung der Vermögenssteuer. Konzepte wurden nicht vorgestellt. Friedenspositionen waren bislang gar nicht zu vernehmen.