Bei der gegenwärtig „geringen“ statistischen Arbeitslosigkeit von 2,6 Millionen plusterte Kanzlerin Angela Merkel sich dieser Tage großsprecherisch auf und versprach, das Ziel der „Vollbeschäftigung“ bis 2025 erreichen zu wollen. Doch damit wärmt sie nur alte Wahlversprechen auf. Auch schon 2008 und 2013 hat die CDU-Chefin die Vollbeschäftigung (Arbeitslosenquote von drei Prozent oder niedriger) als Ziel formuliert. Merkels Versprechen ist daher eher als Drohung zu verstehen: Vollbeschäftigung aus dem Hause Merkel bedeutet eine noch weitere Aufblähung des prekären Sektors. Also noch mehr Leiharbeit, noch mehr Möglichkeiten für die Wirtschaft, die Beschäftigten wie Tagelöhner zu behandeln.
Dabei musste selbst die Bundesagentur für Arbeit vor ein paar Tagen melden, dass die Leiharbeit immer rascher zulegt. Im Dezember 2016 schufteten 993 000 Leiharbeitskräfte, die Zahl kratzt an der Million. Im Vergleich zu 2003 hat sich Zahl der in diesem Sektor der Lohnsklaverei Beschäftigten sogar verdreifacht. Bundesweit sind es im Durchschnitt 2,7 Prozent der Beschäftigten, die unter dem Label Leiharbeit organisierte Lohndrückerei leisten müssen – besonders viele in Bremen (4,7 Prozent) und Thüringen (3,9 Prozent). Fast ein Drittel von ihnen malocht in Verkehrs- und Logistikunternehmen sowie bei Sicherheitsdiensten und Reinigungsfirmen. 28 Prozent werden als Lohndrücker an Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie verliehen.
Leiharbeit ist vor allem geprägt durch kurzfristige Arbeitsverhältnisse. Im bundesrepublikanischen Durchschnitt waren 54 Prozent der Arbeitsverhältnisse spätestens schon nach drei Monaten beendet. Und nur 22,3 Prozent dauerten länger als neun Monate, länger als 15 Monate dauerten demnach nur 14,1 Prozent. Und wie sieht es mit der Behauptung aus, Leiharbeit sei eine Brücke zum regulären Arbeitsmarkt? Prekär: Fast die Hälfte der Leiharbeitskräfte, deren Arbeitsverhältnis beendet wurde, war 30 Tage später immer noch ohne neue Beschäftigung. 26 Prozent hatten nach 30 Tagen ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis außerhalb der Leiharbeit gefunden. Aber jeder Fünfte landete wieder in der Mühle der Leiharbeit.
Aufgabe der Arbeitsagentur wäre es laut Schulbuch, Arbeitslose in dauerhafte Arbeit zu vermitteln. In Wirklichkeit vermittelt sie aber immer öfter direkt in die Leiharbeit. Das liege, so die offizielle Regierungspropaganda, daran, dass Leiharbeiter schlechter qualifiziert seien als andere Beschäftigte. Ein Schauermärchen, das hinten und vorne nicht stimmt. Im Gegenteil: 57 Prozent von ihnen verfügen sie über einen anerkannten Berufsabschluss – weitere acht Prozent sogar über eine akademische Ausbildung. Nur rund ein Viertel aller Leiharbeitskräfte hat keine Berufsausbildung. Zwei Drittel der von der Bundesagentur in Leiharbeit vermittelten Erwerbslosen bezogen vor der Arbeitsaufnahme Arbeitslosengeld I. hatten also davor mindestens ein Jahr lang eine reguläre Arbeitsstelle im sogenannten ersten Arbeitsmarkt. Die Leiharbeit ist keine Alternative zu regulärer Arbeit, sondern eine höchst bedenkliche Form prekärer Beschäftigung, geprägt durch kurze, sich aneinander reihende Arbeitsverhältnisse mit niedrigen Löhnen. Der Durchschnittslohn in der Leiharbeit liegt bei gerade einmal 58 Prozent des allgemeinen Durchschnittsverdiensts. In Zahlen heißt das konkret, 1 816 Euro gegenüber 3 133 Euro pro Monat bei Vollzeittätigkeit. Von Leiharbeit profitieren nur die Unternehmer. Leiharbeiter haben die schlechteren Arbeitsbedingungen, werden mit Dumpinglöhnen abgespeist und sind meist schon nach kurzer Zeit erneut arbeitslos. Die einzigen, die davon profitieren, sind die Arbeitgeber. Die Gewerkschaften scheinen zu glauben, dass Leiharbeit immer noch besser sei als keine Arbeit zu finden, und so handeln sie auch. Doch es gilt weiterhin für aktive Gewerkschafter die Aufgabe, das Verbot der Leiharbeit einzufordern wie überhaupt aller Lohnarbeitsformen, die das Gebot gleicher Löhne und Arbeitsbedingungen für gleiche Arbeit verletzen.