Beschäftigte am Uniklinikum Gießen Marburg streikten

Schädliche Geschäftspraxis

Wir stehen hier für Sie. Und wir stehen hier auch dafür, dass wir selbst Angst haben, krank zu werden.“ Mit diesen eindringlichen Worten begründete eine Kollegin aus der Intensivpflege Anfang August beim ersten von zwei Warnstreiktagen am Universitätsklinikum Gießen Marburg (UKGM) ihre Teilnahme. Die von ihr angesprochene Angst, selbst krank zu werden, ist begründet. Die Arbeitssituation der Beschäftigten am bisher einzigen privatisierten Universitätsklinikum ist von chronischer Unterbesetzung und Arbeitskräftemangel geprägt. Eine Besserung ist nicht in Sicht – im Gegenteil. Selbst Corona-positiv getestete Kolleginnen und Kollegen wurden zwischenzeitlich im Klinikbetrieb eingesetzt. Um „den Laden am Laufen zu halten“, griff die Unternehmensleitung auf einen Erlass der hessischen Landesregierung zurück. Dieser erlaubt bei „Stufe Gelb“ den Einsatz von Corona-positiven Mitarbeitern unter bestimmten Bedingungen. Hierzu gehört zum Beispiel das durchgehende Tragen einer FFP2-Maske.

Selbst diese prekäre Personalsituation hat die Konzernleitung nicht davon abgehalten, eine Betriebsvereinbarung aus dem Jahr 2017 zur Beschäftigungssicherheit zum Jahresende zu kündigen.

Kein Wunder, dass die Geduld vieler Beschäftigten am Ende ist. Nachdem bereits Anfang Juli für einen Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung gestreikt wurde, legten die Kolleginnen und Kollegen in der vergangenen Woche erneut für zwei Tage die Arbeit nieder. Zwar hat Rhön-Chef Dr. Christian Höftberger beschwichtigt und gegenüber der Presse verlautbaren lassen, dass auch im Fall dass es keinen neuen „Zukunftsvertrag“ geben werde, keine betriebsbedingten Kündigungen und auch kein Outsourcing geplant seien. Die gelebte Geschäftspraxis des hinter der Rhön AG stehenden Asklepios-Konzerns spricht jedoch eine ganz andere Sprache.

Dem mit 30.000 Betten zweitgrößten privaten Klinikbetreiber in Deutschland eilt der Ruf voraus, Kliniken aufzukaufen, um aus den Häusern und den dort Beschäftigten den maximalen Profit herauszuholen. Ein Blick in die öffentlich einsehbaren Unternehmensregister macht deutlich, wie der Konzern dabei vorgeht. Neben der Firmenzentrale in Hamburg gehören zu Asklepios eine milliardenschwere Holding und zahlreiche kleine Tochterfirmen. Diese decken jeweils bestimmte Dienstleistungsbereiche rund um den Gesundheitsbetrieb ab. So gibt es beispielsweise eigene Asklepios-GmbHs für Verwaltung, Hauswirtschaft, Technik oder Catering. Allein in Königstein im Taunus sind fast 50 Unternehmen unter einer Adresse gemeldet. Durch dieses Geflecht an Subunternehmen und als „Kosten-Nutzen-Optimierungen“ bezeichnete betriebsbedingte Kündigungen und Outsourcing-Maßnahmen hat der Konzern zur Freude seiner Aktionäre gigantische Profite erzielt.

Dieses auf Profitmaximierung beruhende Geschäftsmodell steht im krassen Gegensatz zu dem ursprünglichen Menschenbild und Berufsethos vieler in der Pflege beschäftigter Menschen. Stellvertretend hierfür steht die bereits oben zitierte Intensivpflegerin, die ihre Berufswahl vor über 30 Jahren wie folgt begründete: „Ich habe diesen Beruf tatsächlich einmal gewählt, weil ich die Würde des Menschen unantastbar finde – und weil ich finde, dass jeder Mensch ein Recht auf körperliche Unversehrtheit hat. Und das ist Ihr Recht im Krankenhaus.“

Was von diesen im Grundgesetz verbürgten Rechten übrig bleibt und wie dünn der demokratische Lack in der Gesellschaftsordnung ist, in der das große Geld regiert, erleben Patienten und Beschäftigte täglich – nicht nur am UKGM.

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"Schädliche Geschäftspraxis", UZ vom 19. August 2022



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