Für den deutschen Bayer-Konzern reißen die Hiobsbotschaften im Zusammenhang mit der Übernahme des US-Konkurrenten Monsanto nicht ab. Während in den Vereinigten Staaten inzwischen rund 13 400 Klagen gegen die US-Tochterfirma anhängig sind, verklagte Anfang Juni erstmals ein Bürger Australiens – ein Gärtner aus der Stadt Melbourne – den deutschen Chemiekonzern. Bei der Klage geht es wie auch in den USA um das mutmaßlich krebserregende Herbizid Roundup, das den umstrittenen Wirkstoff Glyphosat enthält.
Die Klage basiere auf „Urteilen zu Roundup in den Vereinigten Staaten“, wo zuletzt Mitte Mai einem krebskranken Ehepaar ein Schadensersatz von mehr als zwei Milliarden US-Dollar zugesprochen wurde. Schon zuvor seien bei ähnlich gelagerten Fällen zwei krebskranken Klägern Schadensersatzzahlungen von insgesamt 160 Millionen US-Dollar zugesprochen worden. Der Bayer-Konzern habe zwar Berufung eingelegt, doch deute der bisherige Prozessgang darauf hin, dass es letztlich zu einem für Bayer „teuren Vergleich“ kommen wird.
Ende Mai wurde zudem bekannt, dass nun auch die Stadt Los Angeles gegen Bayer-Monsanto vor Gericht zieht. Diesmal wird Bayer wegen Umweltschäden verklagt, die Monsanto während der Produktion der Chemikalie PCB vor mehr als 40 Jahren verursacht haben soll. Zwischen 1935 und 1977 war Monsanto der einzige US-Hersteller von PCB, dessen Einsatz aufgrund schwerer Gesundheits- und Umweltschäden 1979 verboten wurde. In Deutschland erfolgte das Verbot erst 1989.
PCB gehört zu den Schadstoffen, die eine lang anhaltende Wirkung in den Ökosystemen entfalten und deshalb immer noch schwere Schäden hervorbringen. Der Stoff steht unter anderem im Verdacht, krebserregend zu sein, das Immunsystem zu schwächen und die Fruchtbarkeit männlicher Tiere zu verringern.
Für weitere Negativschlagzeilen in den Vereinigten Staaten sorgt eine in dieser Woche publizierte Studie, die das Monsanto-Herbizid Glyphosat in zahlreichen Nahrungsmitteln nachweist, die für den Verzehr durch Kinder vermarktet werden. Die von der „Environmental Working Group“ (EWG) durchgeführte Studie konnte etwa in allen Frühstücksflocken und Müsliriegeln des Herstellers General Mills die mutmaßlich krebserregende Zutat des Bayer-Monsanto-Konzerns feststellen. Von den 21 getesteten Kinderprodukten wiesen nur vier ein Glyphosat-Niveau auf, das die EWG als unbedenklich für die Gesundheit von Kindern einstufte. Die neue Studie deckt sich laut EWG weitgehend mit den Ergebnissen ähnlicher Untersuchungen vom Juli und vom Oktober 2018. Sie belegt somit, dass „auf Hafer basierende Nahrungsmittel auf unseren Supermarktregalen heute mit großer Wahrscheinlichkeit mit einer Dosis eines krebserregenden Herbizids versetzt“ seien, warnte EWG-Vizepräsidentin Olga Naidenko kürzlich anlässlich der Vorstellung der Studie.
Glyphosat stellt das mit Abstand wichtigste und profitabelste Produkt der Bayer-Tochter Monsanto dar.
Angesichts der Prozesslawine und der immer wieder aufkommenden neuen Skandale regt sich in deutschen Wirtschaftsmedien inzwischen offene Kritik an der Führung des Bayer-Konzerns. Die Monsanto-Übernahme werde den deutschen Chemiekonzern auf Jahre hinaus belasten, da ein Ende der Klagewelle „beim besten Willen nicht abzusehen sei“, heißt es; das Unternehmen werde „einige Milliarden Euro“ bezahlen müssen. Inzwischen gehe es nicht mehr „darum, ob das passieren wird, sondern nur noch darum, wann es dazu kommt“. Die Führung des Bayer-Konzerns habe bei der Übernahme nicht berücksichtigt, dass Monsanto „in Teilen der amerikanischen Öffentlichkeit geradezu verhasst“ sei. Deshalb spiele inzwischen sogar ein „Altfall“ wie die PCB-Verseuchung um Los Angeles eine Rolle. Dabei sei der bisherige Klagestand wohl noch nicht das Ende der Fahnenstange: Es würden, heißt es, „wahrscheinlich noch viele andere Dinge hochkommen“.