Graue Haare, volle Aschenbecher und Jägermeister

Schade eigentlich

Von Karl Rehnagel

0:3. Gegen Mainz. Kein einziges Tor geschossen gegen einen Klub, der in den letzten drei Spielen dreimal verlor und elf Tore kassierte (0:3, 1:5, 0:3). Der FC Schalke ist ganz unten angekommen. Eine Leistung auf dem Platz war nicht zu erkennen (Schalke schoss in 90 Minuten ganze dreimal aufs gegnerische Tor!), vom Trainer kamen keinerlei Impulse und zu allem Überfluss wurde während des Spieles (!) bekannt, dass der Manager gekündigt hatte. Die Fans auf den Tribünen flippten aus. Da fragt man sich, wer bei einem Spiel Mainz gegen Schalke eigentlich der Karnevalsverein ist. Mit so einer Nicht-Leistung sollte man zwingend absteigen, alleine die mit Bundesligafußball völlig überforderten Mannschaften aus Augsburg, Stuttgart, Hannover und Nürnberg werden Schalke in dieser Saison davor bewahren. Schade eigentlich.

München gewann müde gegen die Hertha aus Berlin (1:0), wobei mein Freund Lewandowski mal wieder hervorstach, diesmal, indem er seinem Gegenspieler eine rote Karte unterjubelte. Eklig. Frankfurt wieder stürmisch (3:0 gegen Hannover), Freiburg gar orkanisch (5:1 gegen Augsburg). Gladbach setzte seinen unerklärlichen Abwärtstrend fort (0:3 gegen Wolfsburg). Und dabei galt die falsche Borussia bei nicht wenigen noch vor kurzem als Titelanwärter.

Und wir? Saßen wieder in trauter Runde an unserem Biertisch. U., der Mann ohne Zähne, hatte ihn ob des guten Wetters bereits dreieinhalb Stunden vor Anpfiff besetzt, man weiß ja nie. Die Striche auf seinem Deckel zählte ich vorsichtshalber nicht, ein zwischen Bierkrug und vollem Aschenbecher hervorgehustetes „Ich rauche ja fast nicht mehr“ reichte mir schon. Die schöne M. lag mit mir arg im Unreinen, unser einziger Kontakt war das traditionelle Abklatschen nach Toren. Immerhin konnten wir es dreimal zelebrieren. Und danach sah es zuerst so überhaupt nicht aus. Gartenpartner A. standen ob der ersten 25 Minuten die grauen Haare noch etwas mehr zu Berge als sowieso schon. Leverkusen überrannte uns geradezu. Sie hatten in der Phase unfassbare 80 Prozent Ballbesitz. Als Borussia endlich etwas besser ins Spiel fand, knallte es auch gleich: Zagadou, mein absoluter Lieblingsspieler, traf mit dem Fuß. Acht Minuten später haute Sancho die Kugel volley zum 2:1 in die Maschen. Wahnsinn. Der ob seines Dortmund-Bayern-Dortmund-Wechsels auch von mir ungeliebte Götze machte dann auch noch eins. Am Ende war es ein herzklapperndes und etwas glückliches 3:2. Scheißegal, gewonnen. Und trotz kleiner Krise immer noch drei Punkte vor den Bayern!

Nach einem ziemlich ekligen, aber immerhin ausgegebenen Jägermeister – möglicherweise weil Sonntag war, sonst gibt es nach Siegen immer einen vernünftigen Wodka – ging es flugs und ohne große letzte Worte nach Hause, frei nach Karl-Heinz Rummenigge: „Ich ziehe meinen Hut und sage Champs-Élysées.“ Schade eigentlich.

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht allerdings Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher freuen wir uns, wenn Sie sich für ein Abonnement der UZ (als gedruckte Wochenzeitung und/oder in digitaler Vollversion) entscheiden. Sie können die UZ vorher 6 Wochen lang kostenlos und unverbindlich testen.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Schade eigentlich", UZ vom 1. März 2019



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol Herz.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit