Trotz Medienmacht und alledem, der Vermonter Senator ist im Aufwind

Sanders for President?

Von Klaus Wagener

70,6 Prozent in Hawaii, 73 Prozent im Staat Washington, 81,6 Prozent in Alaska, die Kampagne von Bernhard Sanders gewinnt an Schwung. 2 383 Delegierte werden bei den Demokraten zur Nominierung als Präsidentschaftskandidat benötigt. Laut der Web-Seite Real Clear Politics (RCP) konnte Hillary Clinton bislang 1 268 „sichere“ Delegierte gewinnen, Sanders 1036. Unter den insgesamt 4763 Delegierten befinden sich 715 sogenannte „Superdelegierte“. Rechnet man die bislang gewählten Superdelegierten, die in ihrem Abstimmungsverhalten nicht gebunden sind, den Delegiertenstimmen entsprechend ihres bislang geäußerten Abstimmverhaltens hinzu, so kommt Clinton allerdings auf 1521 Stimmen, Sanders auf 1056. Bei 470 Superdelegierten wird angenommen, dass sie für Clinton stimmen, als Pro-Sanders gelten nicht einmal 30. Die Haltung des Parteiestablishments in der Kandidatenfrage ist eindeutig. Frau Clinton ist zuallererst die Kandidatin der mächtigen Washingtoner Kriegspartei, sie steht für die Ausweitung des „Menschenrechts“-Interventionismus, die Eindämmung Chinas und die Konfrontationspolitik gegen Russland, die privilegierte Finanzierung und Unterstützung des militärisch-industriellen Komplexes und – auch das sicher nicht an letzter Stelle – für die Absicherung des großen Wall-Street-Casinos, für die prioritäre Mast von Big Money. Kurz gesagt für eine verschärfte Variante der Bush/Obama-Politik. Nur diesmal statt „Ich bin schwarz!“ unter dem Label: „Ich bin eine Frau!“. Und sie ist, nicht zuletzt deshalb, einigermaßen unbeliebt.

An Beliebtheit deutlich gewonnen hat dagegen der vor der Wahl-Kampagne ziemlich unbekannte Senator aus dem kleinen, knapp 630 000 Einwohner beheimatenden Vermont. Der 74-jährige Sanders wirkt gegenüber dem ansonsten zur Wahl stehenden, ziemlich unappetitlichen Personaltableau (inklusive Frau Clinton) wie ein aus der Zeit gefallener, mit persönlichem Ehrgeiz wenig kontaminierter Typ, dem es tatsächlich um eine Verbesserung der sozialen Verhältnisse, um eine Eindämmung der Kriegspolitik geht. Immerhin gelang es ihm, den Rückstand auf seine Konkurrentin, die neben einer von Big Money fett aufgefüllten Kriegskasse auch noch über die uneingeschränkte Unterstützung der Monopolmedien verfügt, deutlich, auf 230 Stimmen, zu verkürzen. Noch im Dezember verfügte Clinton laut RCP in den Umfragen durchschnittlich über ein Plus von 27,4 Punkten. Mit 57,8 zu 30,4 Prozent, nahezu dem Doppelten von Sanders. Aktuell ist dieses Plus auf 8,6 Punkte (51,0 zu 42,4 Prozent) geschrumpft. Sanders müsste aber bei den kommenden Abstimmungen in diesem Monat, aber vor allem bei der möglicherweise entscheidenden Vorwahl am 7. Juni in Kalifornien ähnliche Erfolge einfahren können, um tatsächlich als Präsidentschaftskandidat der Demokraten gekürt zu werden.

Käme es tatsächlich so, hieße das Rennen um das Weiße Haus vermutlich Sanders gegen Trump. Laut Umfragen hätte Sanders dabei durchaus gute Chancen. Sanders führt gegen Trump durchschnittlich mit einem satten Abstand von 15,8 Punkten (53,5 zu 37,3 Prozent). Bei Clinton vs. Trump sieht die Sache wesentlich enger aus. Erst in den letzten Wochen konnte Clinton den Milliardär mit nun 10,6 Punkten etwas distanzieren. Falls dem demokratischen Parteiestablisment daran gelegen wäre, den eigenen Kandidaten durchzubringen, wäre Sanders der Mann der Wahl. Aber Siegeswille für die eigene, wohlmöglich progressive Sache dürfte dort ebenso wenig eine Rolle spielen wie er im Willy-Brandt-Haus spielte, als dort Peer Steinbrück zum Kanzlerkandidaten gekürt wurde.

Klar ist aber auch, die Washingtoner Kriegspartei und Big Money werden ihre Strategiekonzepte weiterverfolgen, ganz gleich wer gerade das Weiße Haus bewohnt. Wer im Ausland ein Mord- und Zerstörungsprogramm nach dem anderen auflegt, zeigt sich auch zu Hause im Umgang mit missliebigen politischen Gegnern nicht sonderlich feinfühlig. Selbst ein fast stromlinienförmiger Präsident wie Clinton bekam das zu spüren. Bei ihm war es nur Rufmord. Zur Not geht es bekanntlich auch physisch. Soll sich wirklich etwas ändern in den USA und in der Welt, dann ist die Wahl einer neuen Person an der Spitze zwar nicht unwichtig, aber auch nicht hinreichend. Es kommt auf die arbeitenden Menschen, den organisierten Druck von unten an. In den USA und auch anderswo.

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"Sanders for President?", UZ vom 8. April 2016



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