Bundesanwaltschaft geht mit Festnahmen und Durchsuchungen gegen neofaschistische „Gruppe Freital“ vor

Sächsisches Freital bleibt „Codewort für rechtsextrem“

Von Markus Bernhardt

Die sächsische Kleinstadt Freital bleibt auch weiterhin das Synonym für rechten Terror. In der vergangenen Woche kam es zu einer großangelegten Durchsuchungs- und Festnahmeaktion der Behörden, die sich gegen mehrere Rassisten richtete, die der „Bildung einer rechtsterroristischen Vereinigung“ bezichtigt werden. Die Beschuldigten sollen „spätestens im Juli 2015 die rechtsterroristische Vereinigung ‚Gruppe Freital‘ gegründet“ und sich in ihr als Mitglieder beteiligt haben, wie die Generalbundesanwaltschaft mitteilte.

Den bisherigen Ermittlungen zufolge sei es das Ziel der Vereinigung gewesen, „Sprengstoffanschläge auf Asylbewerberunterkünfte sowie Wohnprojekte von politisch Andersdenkenden zu begehen“. In der Nacht vom 19. auf den 20. September des letzten Jahres soll Patrick F., einer der Beschuldigten, den gegenwärtigen Erkenntnissen zufolge für die „Gruppe Freital“ einen Anschlag auf eine Flüchtlingsunterkunft in Freital begangen haben. In der Nacht vom 18. auf den 19. Oktober 2015 griffen Mitglieder der neofaschistischen Vereinigung gemeinsam mit weiteren Gleichgesinnten das Gebäude des alternativen Wohnprojekts „Mangelwirtschaft“ in Dresden an. Sie sollen Steine sowie pyrotechnische Sprengsätze auf das Haus und zumindest teilweise auch gezielt auf erleuchtete Fenster geworfen haben. Einer der Sprengkörper explodierte in der Küche des Hauses. Auch weitere Anschläge werden den Beschuldigten aktuell zur Last gelegt.

Nach der militanten Gruppe „Oldschool Society“, gegen die am Mittwoch dieser Woche der Prozess vor dem Oberlandesgericht München startete, ist Sachsen damit zum zweiten Mal in kurzer Zeit Ausgangspunkt einer mutmaßlich rechtsterroristischen Gruppe. „Offenbar waren die Konsequenzen, die von der Staatsregierung aus dem eigenen Behördenversagen beim ‚NSU‘ gezogen wurden, völlig unzureichend“, kritisierte die Linkspartei-Landtagsabgeordnete Kerstin Köditz. Dabei sei die Freitaler „Bürgerwehr“ bereits seit Anfang Mai vergangenen Jahres offen in sozialen Netzwerken in Erscheinung getreten. „Die mutmaßlichen Mitglieder gaben sich teils unter Klarnamen zu erkennen und kommentierten mitunter solche Taten, die der Gruppe zur Last gelegt wurden. Ihre Radikalisierung ließ sich also ‚live‘ verfolgen. Hier hätte viel eher eingeschritten werden müssen, noch bevor es zu Anschlägen kommt“, kritisierte Köditz, die Sprecherin für antifaschistische Politik der sächsischen Linksfraktion ist, weiter.

Tatsächlich wird das Problem, welches der Freistaat seit Jahren mit militanten Nazis und Rassisten hat, kontinuierlich größer. Exakt 595 sogenannte demonstrative Aktionen zählte die Staatsregierung allein für das Jahr 2015. In die Zählung gingen Pegida-Märsche in Dresden, Leipzig und Chemnitz ein (110), dazu klar rechtsextremistische Veranstaltungen (210) und Versammlungen verschiedener „Bürgerinitiativen“, die sich vor Asylunterkünften abspielten (275). Die Gesamtzahl hat sich gegenüber dem Jahr 2014 mehr als verdoppelt, damals waren es rund 260 gewesen. Dabei markieren die offiziellen Zahlen der Staatsregierung lediglich eine Untergrenze. So listet das Projekt www.rechte-sachsen.de für das Jahr 2015 sogar noch weitaus mehr Versammlungen auf – 728, verteilt auf 90 unterschiedliche Orte.

„Der Fisch stinkt natürlich auch hier vom Kopf her. Völlig weltfremd ist, dass nach überfallartigen Aktionen wie Freital, Heidenau, Dresden-Neustadt und Leipzig-Connewitz das Innenministerium noch immer kein Lagebild erstellt hat. Von einem Gesamtkonzept, die rechte Eskalation auf der Straße zurückzudrängen, einmal ganz zu schweigen“, kritisierte Kerstin Köditz gegenüber dieser Zeitung.

Um zur Solidarität mit Flüchtlingen aufzurufen und ein Zeichen gegen rassistisch motivierte Gewalt zu setzen, wollte der Verein „Laut gegen Nazis“ im Rahmen seiner „Counter-Speech-Tournee“ Anfang Mai auch in Freital Station machen. Die Freitaler Kommunalpolitik erteilte den Plänen des etablierten Vereins jedoch eine Absage und bezichtigte ihn faktisch, den Ruf der Kommune weiter beschädigen zu wollen (UZ berichtete).

„In gewissen Kreisen scheint es beliebt zu sein, Freital als Codewort für rechtsextrem zu benutzen“, behauptete Helmut Weichlein, juristischer Referent des Freitaler Oberbürgermeisters Uwe Rumberg (CDU), in einem Schreiben an „Laut gegen Nazis“.

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht allerdings Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher freuen wir uns, wenn Sie sich für ein Abonnement der UZ (als gedruckte Wochenzeitung und/oder in digitaler Vollversion) entscheiden. Sie können die UZ vorher 6 Wochen lang kostenlos und unverbindlich testen.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Sächsisches Freital bleibt „Codewort für rechtsextrem“", UZ vom 29. April 2016



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol LKW.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit