Die Bundesregierung lud zu einer Konferenz in Berlin ein, die Libyen einer politischen Lösung seiner Konflikte näher bringen sollte. Der UN-Sondergesandte Ghassan Salamé formulierte gegenüber der FAZ seine Erwartungen an diese Konferenz. Von ihr müsse das starke Signal ausgehen, dass der Konflikt nicht mehr allein eine Sache der Libyer sei. Dabei sind es seit dem NATO-Angriff 2011 gerade die internationalen Interessen gewesen, die den Konflikt befeuert haben.
Die Zerstörung Libyens durch die NATO war der Beginn des Krieges um die Kontrolle über die Ressourcen des Landes. Italien und Frankreich, die USA, Ägypten und Katar, Ukraine und Russland und nun sogar die Türkei und Griechenland – sie alle sind in diesem Krieg auf die eine oder andere Weise und auf unterschiedlichen Seiten involviert.
Militärisch hat die Libysche Nationale Armee (LNA) unter General Haftar in den letzten Wochen Erfolge erzielt. Die offiziell anerkannte Regierung kontrolliert nur noch die Hauptstadt Tripolis und Gebiete in ihrer Umgebung. Mittlerweile hat sie selbst die Kontrolle über die Ölanlagen im Osten des Landes verloren.
Die Öleinnahmen des Landes wurden bisher über die Hauptstadt Tripolis abgewickelt – auch für die Anlagen unter Kontrolle der LNA. Kurz vor Beginn der Konferenz in Berlin zeigte Haftar, wie die Machtverhältnisse in Libyen liegen. Die LNA und ihre Verbündeten wiesen die Betreiber der Ölanlagen an, ihren Betrieb einzustellen. Bis zu 800.000 Barrel Öl am Tag fallen damit für den Export aus – ein Verlust von mehr als 50 Millionen Dollar.
Treffen in Moskau und Berlin machten deutlich, wie eng die Zusammenarbeit zwischen der Türkei und Russland zurzeit ist – bei allen Differenzen und unterschiedlichen Interessen. Neben der militärischen Entwicklung dürfte der Waffenstillstand, den die Türkei und Russland für die verfeindeten Seiten in Libyen ausgehandelt hatten – und der im Wesentlichen immer noch hält –, die Konferenz in Berlin beschleunigt haben. Russland soll nach Syrien nicht auch noch in Libyen gestaltenden Einfluss haben, wenn es nach EU und USA geht.
Denn die Staaten, die mit ihren Luftangriffen Libyen zerstört haben, haben nicht den Einfluss gewonnen, den sie sich erhofft hatten. Die international anerkannte Regierung stützt sich vor allem auf Dschihadisten, die die Türkei seit Jahren beeinflusst. Und Haftar hat offenbar bessere Beziehungen zu Russland als zu Frankreich.
Die Ergebnisse der Berliner Konferenz sind vorerst sehr beschränkt. Der Waffenstillstand soll stabilisiert werden. Das Waffenembargo soll tatsächlich umgesetzt und in den nächsten Wochen sollen weitere Prozesse zu einer politischen Lösung in Gang gesetzt werden. Dazu gehört die Frage, wie die Erlöse aus den Öleinkünften in Zukunft transparenter und unter Berücksichtigung aller verschiedenen Interessen verteilt werden können.
Wieder werden Rufe nach einer „militärischen Absicherung der diplomatischen Erfolge“ laut – nachdem der Angriff der NATO-Staaten 2011 das Fiasko erst verursacht hat. Gegen Russland wird das im Rahmen der UN nicht geschehen können – die Russische Föderation meint, die Libyer müssen den Friedensprozess in ihre eigenen Hände nehmen.
Die Libyen-Konferenz ruft die Afghanistan-Konferenz im November und Dezember 2001 auf dem Petersberg bei Bonn in Erinnerung. Ihre Ergebnisse wurden mit großem Pomp gefeiert, es gab einen international anerkannten Präsidenten – aber keinen Frieden.