Die SPD gibt sich zwei Jahre Zeit für die Neuaufstellung

Runderneuerung geht anders

Von Manfred Dietenberger

Auf dem letzten Parteitag lobte Nahles den Koalitionsvertrag mit der CDU/CSU als „Riesendurchbruch“, den man „nicht kleinreden“ dürfe. Jetzt zeigt sie sich unzufrieden über den Fortgang der Umsetzung. „Ich hätte es mir durchaus anders vorgestellt, was die Abarbeitung des Koalitionsvertrages angeht“, so Nahles im „Bericht aus Berlin“. Und sie wird konkret: „Es warten Millionen von Frauen jetzt schon seit einigen Jahren darauf, dass wir diese Teilzeit-Falle beenden und dass sie einfach eine Teilzeit verabreden, aber auch die Rückkehr in Vollzeit mit dem Arbeitgeber verabreden können.“ Um anschließend nebulös zu sagen, bei dem Vorhaben der Großen Koalition habe es „Sand im Getriebe durch die CDU/CSU“ gegeben. Daher wünsche sie sich, dass weitere Vorhaben „besser und zügiger und problemfreier“ umgesetzt würden. Danach sieht es aber nicht aus. Im Gegenteil, aus dem von Arbeitsministerin Nahles am Ende der letzten Legislaturperiode schon einmal auf den Weg gebrachte Gesetz zur befristeten Teilzeit, wurde bekanntlich nichts, CDU/CSU mauerten.

Ungläubig hört man Arbeitsminister Heil sagen „die Verhandlungen zur Brückenteilzeit befinden sich auf der Zielgeraden“, was immer das für die von der SPD versprochene „Brückenteilzeit“ bedeuten mag. Ein Kabinett-Beschluss dazu käme noch vor der Sommerpause, so Heil. Die SPD-Vorsitzende trägt das den schwarzen Koalitionären aber nicht nach, sondern ruft jüngst die Grünen auf, im Bundesrat das Vorhaben der Großen Koalition zu unterstützen, Marokko, Algerien und Tunesien zu „sicheren Herkunftsstaaten“ zu erklären. Wie war das noch? Ein Weiter-so wie in der vorherigen Legislaturperiode werde es nicht geben, schworen Nahles und die anderen Befürworter der großen Koalition. Und nun fühlte es sich doch wieder verdammt nach Weiter-so an. Wen wundert das wirklich? Seit dem Sturz der SPD auf 20,5 Prozent bei der Bundestagswahl wird doch immer mehr offenbar, wie groß die Orientierungslosigkeit der SPD ist.

Aus Bebels SPD ist längst eine Partei ohne eigenes Profil geworden. Die Angst, dass die SPD das gleiche Schicksal ereilt wie ihren Schwesterparteien in Italien, Frankreich oder den Niederlanden, die in den vergangenen Jahren fast in die Bedeutungslosigkeit abstürzten, sitzt Nahles und der ganzen SPD im Nacken. Dennoch bliebt die ursprünglich von der SPD-Basis geforderte personelle Erneuerung aus. Während die sozialdemokratischen Minister in der Großen Koalition den Koalitionsvertrag abzuarbeiten versuchen, soll nun unter Führung von Nahles viel debattiert und die programmatische Neuaufstellung der Partei angegangen werden.

Die SPD gibt sich für ihre Runderneuerung selber zwei Jahre Zeit. Wird sie es schaffen? Wie und ob Runderneuerung geht, könnte die SPD beim Reifenhändler um die Ecke erfahren. Die Runderneuerung abgefahrener, profilloser Reifen macht nur Sinn, wenn die Karkasse (der Unterbau also) keine ernsthaften Verletzungen erlitten hat und die „verbrauchte“ Lauffläche durch eine neue ersetzt wird.

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"Runderneuerung geht anders", UZ vom 8. Juni 2018



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