Covid-19 verschärft die Probleme Nigerias

Ruin, Umweltkatastrophe, Terror …

Das bisher prominenteste Opfer von Covid-19 in Nigeria ist Abba Kyari. Die rechte Hand des Präsidenten Muhammadu Buhari hatte sich im März bei einem Arbeitsbesuch in München infiziert, wo er Gespräche mit dem Siemens-Konzern führte. Corona gilt in Afrika als „europäische Krankheit“: Zu Beginn der Pandemie waren es vor allem Menschen mit Kontakten zu Europäern, die sich infiziert hatten. Bis zum Redaktionsschluss am Montag zählte der bevölkerungsreichste afrikanische Staat offiziell 1.273 Infizierte und 40 Todesopfer.

Der Ausbruch der Seuche trifft Nigerias Wirtschaft in einem Augenblick, in dem sie schon unter dem Verfall des Ölpreises in die Knie geht. Bei der Planung des zum Teil schuldenfinanzierten 35-Milliarden-US-Dollar-Staatshaushalts für 2020 war noch von einem Ölpreis von knapp 60 US-Dollar pro Barrel und einer täglichen Förderkennziffer von über 2 Millionen Barrel ausgegangen worden – jetzt liegt das Preismaximum zwischen 20 und 30 Dollar. Mehr als die Hälfte der Einnahmen des Landes stammen aus Ölsteuern und Gebühren für Förderlizenzen, die Auswirkung des Preisverfalls werden also immens sein. Nun sind 35 Milliarden Dollar – bisheriger Rekordhaushalt! – für einen Staat mit geschätzt 200 Millionen Einwohnern nicht viel. Vor allem für ein aufgrund seiner riesigen Erdöl- und Erdgasvorkommen potentiell so reiches Land scheint die Summe lächerlich gering. Der Reichtum Nigerias fließt in die Kassen von Exxon, Shell, ENI und anderer Ölkonzerne. Überdies gehen dem nigerianischen Staat auch durch die allgegenwärtige Korruption der herrschenden „Eliten“ Jahr für Jahr Milliarden verloren. Seit Beginn der Ölforderung in den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts und vor allem in den letzten 50 Jahren haben mehr als zwei Millionen Tonnen Rohöl das Ökosystem des Nigerdeltas geflutet und nachhaltig verseucht. Eine Umweltkatastrophe, deren Auswirkungen auf Leben und Gesundheit der dort lebenden Menschen nicht überschaubar ist und deren zaghafte Bekämpfung ständig wachsende Kosten verursacht. Und im Norden des Landes bindet der Kampf mit der islamistischen Terrorgruppe Boko Haram immer noch beträchtliche Staatsmittel für die Armee. Erst am 19. April sind bei einem Überfall bewaffneter Gruppen auf mehrere Dörfer im Bundesstaat Katsina 47 Menschen getötet worden.

Die Ratingagentur Standard & Poor‘s hat die Kreditwürdigkeit Nigerias kürzlich von B (Hochspekulativ) auf B- (Ausfälle wahrscheinlich) heruntergestuft. Damit ist der Regierung in Abuja faktisch der Gang auf die Kapitalmärkte versperrt. Es bleibt nur der Gang zum Internationalen Währungsfonds, der Weltbank und der Afrikanischen Entwicklungsbank, bei denen das Land schon hoch verschuldet ist – und das Betteln um einen Schuldenerlass oder wenigstens die Aussetzung des Zinsdienstes.

Schulden bei diesen Institutionen sind an Bedingungen gebunden, die sich mit dem Wort „Austerität“ zusammenfassen lassen. Ihre Auswirkungen auf die Landeswährung Naira sind absehbar. Ein noch steilerer Wertverlust als in der Vergangenheit.

Es verwundert nicht, dass unter diesen Bedingungen die Staatsausgaben für das Gesundheitswesen nicht mehr als 5 Prozent ausmachen – gegenüber mindestens 15 Prozent, wie von der Afrikanischen Union empfohlen. Fünf Krankenhausbetten pro tausend Einwohner – Nigeria hat Covid-19 nichts entgegenzusetzen. Die Situation ist nicht vergleichbar mit der von 2014, als das Land schon einmal von einer Doppelkrise geschüttelt wurde: Dem Ölpreissturz von 100 Dollar/Barrel auf 50 Dollar und der gleichzeitigen Ausbreitung des Ebola-Virus in Westafrika. Das Coronavirus ist ungleich infektiöser als Ebola: Vor sechs Jahren wurden 19 Ebola-Infizierte in Nigeria gezählt, von denen sieben starben.

Der Problemlöser des Präsidenten, Abba Kyari, kann nun Muhammadu Buhari nicht mehr helfen bei der Suche nach dringend erforderlichen Lösungen.

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"Ruin, Umweltkatastrophe, Terror …", UZ vom 1. Mai 2020



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