Zu den Problemen des New-START-Kontrollregimes

Rüstungsbegrenzung in Kriegszeiten

Der New START-Vertrag (Strategic Arms Reduction Treaty, dt.: Vertrag zur Reduzierung strategischer Waffen) aus dem Jahr 2010 ist der einzige noch verbliebene Rüstungsbegrenzungsvertrag zwischen Russland und den USA. Sowohl der ABM-Vertrag als auch der INF-Vertrag sind mittlerweile von den USA gekündigt worden – der ABM-Vertrag 2002 und der INF-Vertrag 2018. Der ABM-Vertrag begrenzte die Zahl der Raketenabwehrwaffen, der INF-Vertrag sah die Zerstörung eines erheblichen Teils atomarer Mittelstreckenwaffen vor. Beide Verträge behinderten den Versuch der USA, eine strategische Dominanz gegenüber der als Herausforderer der US-Vorherrschaft eingeschätzten Russischen Föderation zu gewinnen.

Russland galt nach dem Ende der Sowjetunion und dem Ausverkauf der Jelzin-Jahre als schwach. Allerdings war das Zeitfenster, in dem es möglich erschien, Russland kleinzuhalten beziehungsweise zu machen, begrenzt. Wenn es gelingen sollte – das war Washington seit den 2010er Jahren klar –, dann musste es bald passieren. Die NATO-Ostexpansion, die Installierung von US-Vasallenregimen in Ost- und Südosteuropa, der Putsch in der Ukraine und nun der provozierte Krieg gegen Russland mithilfe des 2014 dazu installierten Marionettenregimes in Kiew sollten die notwendige militärische, ökonomische und propagandistische Lage erzeugen, die notwendig ist, Russland strategisch zu schwächen oder zu ruinieren, wie es die deutsche Außenministerin stolz verkündete. Einem so geschwächten Russland wollte man den atomaren Revolver an die Schläfe setzen – konkret: ultraschnelle Mittelstreckenraketen vor die Tür stellen. Der aktuelle Kriegsverlauf setzt allerdings deutliche Fragezeichen hinter dieses Vorhaben.

New START ist der Nachfolger von START I. START II wurde zwar unterschrieben, aber nicht ratifiziert. Die START-Verträge limitieren hauptsächlich die Anzahl der strategischen Waffen auf 700 ballistische Interkontinentalraketen, 1.550 nukleare Gefechtsköpfe und 800 Abschussvorrichtungen (zu Land, auf U-Booten oder in Flugzeugen). Das US-Interesse an dieser Waffenkategorie ist begrenzt, da sich hier keine Erstschlagskapazität erreichen lässt. Als Erstschlagskapazität lässt sich die Fähigkeit bezeichnen, den Gegner zu zerstören, ohne dass er einen Gegenschlag ausführen kann. Mit Beginn der 1960er Jahre ist dem US-Militär diese Fähigkeit verlorengegangen – und seit Ronald Reagan kreisen alle strategischen Überlegungen der US-Neocons um die Frage, wie sie wiederzuerlangen ist. Dazu braucht man vor allem extrem schnelle Mittelstreckenraketen, vorgeschobene Abschussrampen und effektive Raketenabwehrsysteme. Wenig überraschend war Joseph Biden kurz nach seiner Amtseinführung bereit, das New START-Abkommen, wenige Tage bevor es ausgelaufen wäre, um weitere fünf Jahre zu verlängern.

Mit dem offenen Ausbruch des US- und NATO-Krieges gegen Russland hat sich die Lage natürlich auch bei New START verändert. Der Versuch, die Russische Föderation zu schwächen, hat die im Vertrag vorgesehenen russischen Inspektionen in den USA drastisch erschwert bis unmöglich gemacht. Washington habe „mehr als 100 strategische Waffen, welche unter das Abkommen fallen, illegitim entfernt“, bemerkte der russische Botschafter in den USA, Anatoli Antonow, in einem TASS-Beitrag. Russland ist mit Abstand das meistsanktionierte Land der Welt. Es gibt laut Antonow keine regulären Flüge zwischen Russland und den USA und der Luftraum sei auch von den US-Alliierten für russische Maschinen gesperrt worden. Die so geschaffenen Schwierigkeiten, die erforderlichen Visa für die Inspektoren und das Flugpersonal zu bekommen, hätten Verhältnisse erzeugt, welche es der russischen Seite „erschwerten, wenn nicht unmöglich machten, ihre Inspektionen auf US-Territorium auszuführen“. Die russische Seite habe daraufhin auch die US-amerikanischen Inspektionen auf russischem Gebiet abgesagt.

Selbstredend versucht die westliche Kriegspropaganda, „Putin“ die Schuld an der „Verletzung des New START-Abkommens“, wie es die US-Seite formuliert, in die Schuhe zu schieben. Antonow wies darauf hin, dass eine Rückkehr zu den Inspektionen und zu den Treffen der Bilateralen Beratungskommission in Zukunft möglich sei, wenn sich die entsprechenden Bedingungen normalisierten. Ob die Biden-Regierung daran ein Interesse hat, darf allerdings – zumindest auf absehbare Zeit – bezweifelt werden.

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"Rüstungsbegrenzung in Kriegszeiten", UZ vom 10. Februar 2023



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