Es passierte beim letzten großen Fußballturnier in Frankreich, am 21. Juni 1998: In der Stadt Lens wurde im Rahmen eines Spiels der deutschen Nationalmannschaft bei dem Versuch, eine Straße vor deutschen Hooligans abzuriegeln, der Polizist Daniel Nivel von eben dieser Gruppe brutal zusammengeschlagen und u. a. mit einem Gewehrkolben so malträtiert, dass er bis heute kaum bewegungs- und sprachfähig ist.
Knapp 20 Jahre später, bei der kommenden EM in Frankreich, befürchtet die deutsche Polizei erneut Ausschreitungen von Hooligans. Wieso sollte das für die deutsche Polizei ein Problem sein?
Laut Uwe Ganz, dem Gruppenleiter der deutschen Polizeikräfte, die während der EM in Frankreich die französischen Kollegen unterstützen sollen, würden Hooligans aus ganz Europa Deutschland als „Transitland“ nutzen, was auch zu gewalttätigen Zusammentreffen auf deutschen Rastplätzen sorgen könnte. Allerdings kann man einwenden, dass das Hooliganproblem außerhalb der EM viel größer ist.
Ende 2014 sorgte in den Medien eine in Krawall ausartende Demons-
tration aus ganz Deutschland angereister Hooligans und Nazis für Furore: HoGeSa (Hooligans gegen Salafisten) randalierten, griffen Journalisten und Gegendemonstranten sowie Polizisten an. Spätestens ab diesem Zeitpunkt sprachen viele Fanforscher von einem „Comeback der Hooligans“, die bereits in den Jahren zuvor wieder verstärkt von sich Reden machten, indem sie beispielsweise in Düsseldorf, Braunschweig, Duisburg und Aachen dafür sorgten, dass linke und antirassistische Fangruppen unter Gewalt(androhungen) das Stadion für längere Zeit verließen oder zumindest nicht mehr organisiert auftreten konnten.
Es geht den rechten Hooligans darum, Hegemonie im Stadion und der Stadt zu erlangen. Das Problem bei der Sache ist, dass selbst zahlenmäßig deutlich größere Gruppen selbst nicht ganz kampfunerfahrener Fans gegen die Profischläger aus den Reihen der Hooligans zumeist keine Chance haben – und weil sie das wissen, die Auseinandersetzung scheuen. Dafür ist eine recht neue Dortmunder Hooligangruppe ein trauriges Beispiel.
Im Oktober 2015 hielten Mitglieder der aus ehemaligen Mitgliedern anderer Dortmunder Ultra-Gruppen sowie Türstehern, Hools und Kampfsportlern bestehenden Gruppe „0231 Riot“ (0231 ist die Vorwahl von Dortmund) während des Heimspiels gegen Augsburg ein Banner mit dem Schriftzug „Lörcher, deine Zeit ist um“ in die Luft. Daniel Lörcher ist Fanbeauftragter beim BVB und eine der Personen im Verein, die sich maßgeblich gegen den Einfluss rechter Fans im Stadion und in der Stadt wehren. Das war und blieb auch nicht die einzige Drohung, die auf diese Art ausgesprochen wurde. Fast noch schockierender als der Umstand, dass eine Gruppe in einem Stadion ein solches Transparent präsentieren kann, ist, dass Riot-Mitglieder unbeteiligte, in der Nähe stehende Fans wohl regelmäßig unter Gewaltandrohung dazu zwingen, Transparente der Gruppe zu halten. Das klappt, weil die „neue“ Gruppe z. T. aus profes-
sionellen Kampfsportlern besteht, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, ihre Vormachtstellung im Stadion und dem Umfeld gewaltsam durchzuprügeln.
Letztlich geht es „0231 Riot“ v. a. darum, allen Fans gewaltsam „Grenzen“ aufzuzeigen, die sich gegen Rassismus und Diskriminierung im Stadion aussprechen und versuchen, ihre Vorstellungen von einem diskriminierungsfreien Fußball durchzusetzen. Das passiert auch durch das Schüren von Angst. So wurde im Umfeld eines Spiels gegen Hannover 96 ein gegnerischer Fan „gefangen“ genommen und so lange von der Gruppe mitgeschleift, bis er den Aufenthaltsort der eigenen Ultra-Gruppe verriet. Fans des FC Sion aus der Schweiz wurden unter Gewaltandrohung dazu gezwungen, sich Aufkleber der Dortmunder Gruppe an die Stirn zu kleben und damit für Fotos zu posieren.
So sieht rechte Hegemoniepolitik im Fußball aus – eine Lösung des Problems in nächster Zeit erscheint leider wenig realistisch.