Rote Alternativen

Werner Sarbok im Gespräch mit Matthias Wietzer

UZ: Du warst ja schon einmal Ratsherr der Landeshauptstadt. Trittst du wieder als Spitzenkandidat an?

Matthias Wietzer, Lehrer, ehemaliger Ratsherr und Personalratsvorsitzender, 12 Jahre Berufsverbot, Mitbegründer der „Bürgerinitiative gegen die Schließung der Stadtbibliothek Limmerstraße“ .

Matthias Wietzer, Lehrer, ehemaliger Ratsherr und Personalratsvorsitzender, 12 Jahre Berufsverbot, Mitbegründer der „Bürgerinitiative gegen die Schließung der Stadtbibliothek Limmerstraße“ .

Matthias Wietzer: Ja und nein. Wir haben in Hannover 14 Spitzenkandidatinnen und -kandidaten. Die DKP wird mit einer auch für Nichtmitglieder offenen Liste stadtweit in allen 14 Wahlbereichen für den Rat der Stadt kandidieren. Da es bei diesen Wahlen keine Fünf-Prozent-Klausel gibt und alle Stimmen „in einen Topf“ kommen, wird bei einem eventuellen Wahlerfolg der Stadtteil mit dem besten Stimmenergebnis berücksichtigt werden. Voraussichtlich wird das Linden-Limmer sein, der Stadtbezirk, in dem Kommunistinnen und Kommunisten seit Jahrzehnten politisch aktiv sind.

UZ: Kommunalpolitische Kompetenz habt ihr ja in der Vergangenheit schon bewiesen …

Matthias Wietzer: Bereits in den 80er-Jahren war unsere Partei fünf Jahre lang mit jeweils einem Sitz im hannoverschen Rat und im Stadtbezirk Linden-Limmer vertreten. Mit der Grün-Alternativen Bürgerliste (GABL), der Vorläuferin der Bündnisgrünen, bildeten wir damals die GABL/DKP-Gruppe im Rat. Die damaligen Bündnispartner bekleiden allerdings jetzt diverse Posten in Stadtregierung und Verwaltung – oftmals nicht zum Vorteil für große Teile der Bevölkerung.

Erstmalig in der hannoverschen Stadtgeschichte war die DKP mit zwei Bürgeranträgen mit über 12000 und 15000 Unterschriften für einen Preisstopp bei Strom, Gas und Fernwärme erfolgreich. Begleitet wurden unsere Aktivitäten durch Preisstopp-Aktionen mit Eiern und Kartoffeln. Unsere preisgestoppten Tannenbäume zur Weihnachtszeit fanden großen Anklang – bis hin zur Berücksichtigung in der „Tagesschau“ der ARD.

In späteren Jahren beteiligten wir uns bei Kommunalwahlen in verschiedenen Wahlbündnissen, die zumindest teilweise auch Sitze in der Region, im Rat und zwei Stadtbezirken erreichen konnten. Neuerliche Bemühungen, ein großes, parteiübergreifendes Bündnis zu schaffen, scheiterten jedoch an der Zurückhaltung von Partnern bzw. auch an der mangelnden Bereitschaft der „Linken“, die trotz mancher Sympathien eine Eigenkandidatur vorzogen. So sprachen sich die DKP-Mitglieder schließlich einstimmig für eine Eigenkandidatur mit offener Liste aus.

UZ:Wie sieht euer derzeitiger Wahlkampf aus?

Matthias Wietzer: In den letzten Monaten haben wir unsere Außenwirkung beträchtlich gesteigert. Unser „Hannoversches Volksblatt“, das periodisch erscheint, ist konkreter geworden und hat wesentlich deutlicher die zahlreichen städtischen Probleme aufgegriffen: Wohnungsmangel, Büchereischließungen, Verschleuderung städtischen Eigentums, Arbeitsplatzvernichtung, um nur einige zu nennen.

Nachdem wir über 700 Unterstützungsunterschriften in den Stadtteilen gesammelt haben, wurde unsere Kandidatur inzwischen vom Wahlausschuss bestätigt (Liste 19). Wir haben ein attraktives Wahlprogramm ausgearbeitet und veröffentlicht – ungefähr 700 Wahlplakate hängen bereits. Dabei hat uns die SDAJ unterstützt.

Gegenwärtig verteilen wir unsere Wahlzeitung, die in größerer Auflage erscheint, stadtspezifische Probleme und Lösungen aufzeigt und alle KandidatInnen mit Foto veröffentlicht. Die Resonanz darauf ist sehr positiv. Wir werden nach meinem Eindruck wieder zunehmend als Faktor in der Stadtpolitik und auch als wählbare Alternative wahrgenommen.

UZ: Wie beurteilst du den Stellenwert der Kommunalpolitik?

Matthias Wietzer: Ohne Zweifel hoch. Neben der Betriebsarbeit ist sie ein bedeutendes Politikfeld für eine kommunistische Partei. In den Städten und Kommunen treffen die Probleme dieser Gesellschaft direkt und unmittelbar auf die BewohnerInnen. Ob Fahrpreiserhöhungen für den Öffentlichen Nahverkehr, mangelnder Wohnraum und Mietsteigerungen, fehlende Kita-Plätze, Umweltverschmutzung oder unzureichende Versorgung in Krankenhäusern oder im Alter – wir sind selbst Betroffene.

Es gibt zahlreiche Anknüpfungspunkte für eine Politikentwicklung in den Städten und Gemeinden. Auch ohne Ratsmandate kann man sich einmischen, Druck erzeugen und bestimmte Entscheidungen beeinflussen. Welches Thema lohnt sich aufgegriffen zu werden? Welche Schwerpunkte werden gesetzt und wo ist das „schwächste Kettenglied“, um Wirkung, Erfolge und Veränderungen im bürgerlichen Politikgeschehen zu erreichen? Der Klassenkampf spart die Kommunen nicht aus und durch außerparlamentarische Aktivitäten lässt sich auf dieser Ebene einiges bewegen.

UZ: Kannst du bereits eine Zwischenbilanz eures bisherigen Wahlkampfes ziehen?

Matthias Wietzer: Meiner Meinung nach war es eine gute und richtige Entscheidung, zur Wahl als DKP/Offene Liste anzutreten. Eine Reihe von Sympathisanten unterstützen unsere Arbeit und einer der Aktivsten im Wahlkampf ist ein parteiloser Kandidat. Wir haben ein ansprechendes Wahlprogramm, Flugblätter, Plakate und eine attraktive Wahlzeitung erstellt. Die Öffentlichkeitsarbeit muss ohne Zweifel in den Wochen bis zum 11. September noch forciert und die Anzahl der aktiven WahlkämpferInnen erhöht werden. Chancen für ein Mandat sind durchaus vorhanden. Ein manchmal mühsamer, aber notwendiger und lohnender Weg, der beschritten werden muss – besonders von einer Kraft, die die Veränderung der bestehenden kapitalistischen Verhältnisse anstrebt und für eine humane Gesellschaft eintritt. Auch die längste Reise beginnt mit den ersten Schritten – wir sind unterwegs!

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"Rote Alternativen", UZ vom 19. August 2016



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