Eine Vorfreude auf das 21. UZ-Pressefest in Berlin

Rot wie Rosa

Nun ist es nicht der Revierpark in Dortmund geworden. Aber es ist der Rosa-Luxemburg-Platz in der Mitte Berlins. Vertrauter Ort kommunistischer, antifaschistischer, sozialistischer Traditionen, die uns nie verlorengingen. 1973 Festival-Treffpunkt der Weltjugend im Kampf für Frieden, Freundschaft und antiimperialistische Solidarität. Damals wie so oft auch ein Terrain der Begegnung mit demokratischer Weltkultur. Und im kommenden August gewiss ein unvergesslicher Schauplatz des besten Volksfestes, das eine linke Presse hierzulande zustande bringt.

Ich freue mich darauf. Natürlich wird‘s ohne die Dortmunder Weitläufigkeit mehr Gedränge geben. Aber denken wir an Dieter Süverkrüps plausiblen Vers: „Der Mensch braucht jede Menge / ganz menschliches Gedränge!“ Das kann wirklich schön werden. Ich hab‘s an diesem Ort erlebt und erinnere mich gern an die enorme menschliche Dichte, als die FDJ im Sommer 1987 hier ihr Volksfest zum 750. Berlin-Jubiläum veranstaltete. Davon will ich kurz erzählen.

Ich war damals Kultursekretär der FDJ und wir hatten natürlich ein politisches Fest vor. So waren wir auch auf diesen Ort gekommen. Von hier zog einst der Trauerzug für Karl und Rosa nach Friedrichsfelde. Hier war der Sitz der KPD. Die Volksbühne stand für eine veritable linke Theaterkultur. Nach Pinochets Putsch gedachten wir hier des ermordeten chilenischen Sängers Victor Jara. In der Volksbühne waren auch die Festivals des politischen Liedes heimisch. Natürlich setzten wir auf multimediale Erlebnisse. Im angrenzenden Kino „Babylon“ zeigten wir Margarethe von Trottas Luxemburg-Film. An Piscators Theatertraditionen anknüpfend, lief in der Volksbühne eine „Rote Revue“. Dieter Mann las Texte von Hermann Kant, Ekkehard Schall spielte aus „Arturo Ui“, Helmut Baierl beschrieb sein „Essen einer Kartoffel 1945“, Primaballerina Jutta Deutschland gedachte der von den Faschisten ermordeten Tänzerin Oda Schottmüller. Heiner Müller hatte uns in aller Eile eine Hommage an jenen Genossen vom Zionskirchplatz geschrieben, der eine Geldsammlung für Spaniens Interbrigadisten mit dem Leben bezahlte. Weil die Zeit drängte, trug der Dichter den Text eigenhändig bis zur Bühne. Die DDR-Unterhaltungskünstler Lippert und Karney präsentierten ein Open-Air-Mitternachtsspektakel mit Helga Hahnemann, Tamara Danz und „Silly“, „Karat“, Günther Fischer und Jürgen Walter. Für Jürgen hatten Thomas Natschinski und ich ein Lied zum Anlass geschrieben: „Berlin, bist eine große Liebe wert“. Was für die DDR-Hauptstadt hundertpro galt, darf aber auch heute eine freundliche Einladung sein.

Für den Abschluss unseres dreitägigen „FDJ-Treffs Rosa-Luxemburg-Platz“ stand ein Liederabend mit Mikis Theodorakis im Programm. Natürlich auf dem Dreiecksterrain vor der Volksbühne. Das benötigte eine ausladende Bühne. Aber bereits als unsere Planungen bekannt wurden, regte sich ökologisch begründeter Protest. Man mutmaßte, wir würden deswegen die jungen Bäumchen an den Dreiecksrändern weghacken. Aber wir versahen die Bühne mit Aussparungen, durch die das Baumgrün wie eine wohlüberlegte Dekoration herausragte. Mikis bot einen Querschnitt aus seinen Schaffensperioden, sang selbst das Bekannteste, und das Publikum (menschliches Gedränge!) tanzte auf wenigen Quadratzentimetern, so gut es ging. Auf der kleinen Tribüne am Rande schunkelte ein liberaler Jugendfunktionär mit, der gerade in der DDR zu Gast war. Wäre er damals schon FDP-Chef oder Außenminister der BRD gewesen, hätte ihn die heimische Boulevardpresse aufgespießt. Aber wenn er das schon gewesen wäre, hätte Guido Westerwelle dort nicht gestanden.

Das ist nun alles 35 Jahre her und linke Festivalmacher arbeiten heute in komplizierteren Verhältnissen. Sei‘s drum. Die Lust, Feste zu organisieren und feste zu feiern, während man sich müht, den Weltenlauf ein Stückchen in Richtung Gesellschaftsfortschritt vorzudrehen, gehört nun mal zu unserer DNA. Also auf nach Berlin! Und Kraft tanken beim Pressefest, das so rot ist wie Rosa!

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"Rot wie Rosa", UZ vom 1. Juli 2022



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