„In unserem Land“, sagte mir mein tüchtiger Handwerker letzte Woche, während er meinen Wasserhahn reparierte, „in unserem Land läuft eine Menge schief“. Ich stimmte energisch zu, und er fuhr fort, „Zum Beispiel in den Schulen …“ Sofort erschienen Stichworte wie „marode Schulen, Lehrermangel, Bildungsnotstand, fehlende Chancengleichheit“ usw. in meinem Kopf, als Herr M. sich weiter empörte: „Mädchen müssten wirklich wieder Kochunterricht bekommen. Wenn der Mann abends von der Arbeit nach Hause kommt, will er doch was Anständiges auf die Gabel bekommen.“
Nach heftigen Protesten meinerseits gab es zwar das Zugeständnis, dass es wohl stimmen mag, dass heutzutage auch Frauen (ein bisschen) berufstätig sind und es nichts schadet, wenn auch Männer kochen können, aber der anständige Rollbraten, der ist und bleibt nun mal Frauensache, das muss ein Mann nicht können. Tja, wie sagte schon Wilhelm Busch vor weit mehr als 100 Jahren:
„Es wird mit Recht ein guter Braten gerechnet zu den guten Taten.
Und dass man ihn gehörig mache ist weibliche Charaktersache.“
Meine nette Wurstverkäuferin erzählte mir heute, dass sie einige der Fleischwürste aus dem Sonderangebot kaufen wolle, damit die Männer beim Fußballschauen auf der Terrasse ordentlich was zu futtern hätten. Die Frauen würden aber nicht mitgucken, sondern was anderes machen.
Fleischwurst futtern, Bier trinken und dabei über weibliche Fußballmoderatorinnen meckern?
Über Claudia Neumann, die erste Sportreporterin, die eine Fußball-WM kommentierte, ergoss sich ein Shitstorm Tausender frauenfeindlicher, sexistischer und unflätiger Kommentare. Einer der harmlosesten war noch: „Ich glaube ja, dass Claudia Neumann nicht mal ‚ne vernünftige Kartoffelsuppe kochen kann.“
Wobei wir wieder bei der Wurst sind. Es gibt sie noch, die reine Männerdomäne, wo Frauen nichts zu sagen haben, gleichwohl aber für das leibliche Wohl sorgen dürfen. Rezepte für den Fußball-Männer-Abend sind auf jeden Fall zurzeit überall zu finden. Und wie serviert frau das erlesene Fußballmahl? Vielleicht in einem Discounter-Modellkleid von Supermodel-Göttin Heidi Klum, aufgebügelt mit einem stylischen Bügeleisen, dass Lidl zum diesjährigen Muttertag preisgünstig angeboten hat und mit dem Vati der Mutti sicherlich (k)eine Freude gemacht hat.
Kleine Beispiele, gewiss, aber doch beängstigende Zeichen einer gewaltigen Rolle rückwärts in Sachen Gleichberechtigung. Parallel zur Rechtsentwicklung, nicht nur in Deutschland, verändert sich das propagierte Frauen- und Familienbild schleichend, leise und häufig unbemerkt in bedenklicher Weise. Familie, Küche und Heim gewinnen wieder an Bedeutung. Männer, vorwiegend erzreaktionäre, dominieren die Politik der Bundespolitik. Die reine Männeriege der CSU versucht rechts gleichzuziehen mit der rassistischen und frauenfeindlichen Politik der AfD. In Nachrichtensendungen kommen Gauland und Co. ausführlich zu Wort und in Talkshows sind Mitglieder der AfD gern gesehene Gäste und können dort ihr menschenverachtendes Weltbild hinlänglich vorstellen, verbreiten und salonfähig machen.
Der Internationale Frauentag liegt fast vier Monate hinter uns und Frauenthemen sind wieder weitestgehend aus dem Fokus verschwunden.
Ökonomische Ungleichheit zwischen Männern und Frauen wurde angeprangert und kommt am 8. März 2019 wieder auf den Tisch.
#MeToo hatte viele Menschen aufgerüttelt, doch was ist geblieben? Sexistische Sprüche gegen Sportreporterinnen, Frauenhäuser, die hoffnungslos überfüllt sind, und die vielen Frauen, die körperlicher und sexueller Gewalt ausgesetzt sind nicht mehr aufnehmen können.
Wir leben in einer Welt mit schweren, drängenden Problemen. Kriege und Umweltzerstörung produzieren Not, Elend und Flucht. Hauptleidtragende sind wiederum Frauen und Kinder. Nur gemeinsam und gleichberechtigt, Männer und Frauen, können wir diese Welt verändern. Dazu gehört, den Kampf der Frauen um gleiche Rechte und Teilhabe nicht aus den Augen zu verlieren. Nicht nur am Internationalen Frauentag.