Über verschiedenste Formen der Repression

Robo-Cops und Schreibtischtäter

Kolumne

Der Wind wird rauer. Ein Blick nach Nürnberg: Am 6. Mai riegelten Beamte des bayrischen Unterstützungskommandos (USK) auf Geheiß der Generalbundesanwaltschaft im Stadtteil Gostenhof einen kompletten Straßenzug ab. Fünf Tage nach dem 1. Mai durchsuchten sie sieben Stunden lang die Wohnung einer Nürnberger Antifaschistin. Ihr wird die Beteiligung am Protest gegen faschistische Gruppen in Budapest im Februar 2023 vorgeworfen. Noch am 1. Mai zog die mehrere tausend Menschen umfassende revolutionäre 1.-Mai-Demo durch den Stadtteil, in dem nun martialisch gegen aktives, antifaschistisches Engagement vorgegangen wird.

Es war nicht das einzige Vorgehen gegen linke Kräfte in Nürnberg: Es gibt Strafverfahren nach Paragraph 129 StGB, Bildung einer kriminellen Vereinigung. Der Vorwurf, der als Begründung für Hausdurchsuchungen und Verfahren herhalten muss: Das Anbringen linker Graffiti und die dadurch angeblich erfolgte „Verherrlichung der Antifa“.

Gegen weitere Genossinnen und Genossen mit und ohne DKP-Parteibuch laufen Verfahren, vor allem wegen tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte. Der zugrunde liegende Paragraph 113/114 StGB wurde erst 2017 verschärft und gilt nun als sogenannter „Schubs“-Paragraph, weil seitdem bereits die kleinste Aktivität gegen gepanzerte und bewaffnete Polizisten als „Angriff“ gewertet wird. Oder, wie es neulich in Nürnberg im Prozess gegen einen Genossen hieß: „Der Angeklagte bewegte sich ungebremst auf den Polizeibeamten zu und berührte ihn am Oberkörper. Die dadurch übertragene Bewegungsenergie verursachte dem Beamten erhebliche Schmerzen im Brustbereich.“

1209 Kolumne Tatjana - Robo-Cops und Schreibtischtäter - Antifa-Karawane, Antifaschistischer Kampf, Paragraph 129 StGB, Repression, Verfassungsschutz - Positionen
Tatjana Sambale

Wer einmal Menschen gesehen hat, die von USK-Beamten in die Mangel genommen wurden, weiß, dass nach solchen Übergriffen blutig geschlagene Gesichter, gebrochene Jochbeine und ausgeschlagene Zähne keine Seltenheit sind. Dass solche Polizeikräfte dann in Gerichtsverfahren da­rüber lamentieren, welche Schmerzen es ihnen verursacht, angerempelt zu werden, ist ebenso lächerlich wie grotesk. Nach den strafrechtlichen Verfahren ist nun noch ein Zivilrechtsprozess anhängig. Der „geschädigte“ Polizist verklagt den Genossen auf Schmerzensgeld, der Freistaat Bayern klagt auf Erstattung des Verdienstausfalls. Der Streitwert: um die 60.000 Euro.

Apropos Geld: Dass sich politische Arbeit deutlich schwieriger gestalten lässt, wenn selbiges fehlt, ist inzwischen auch staatlichen Behörden aufgefallen. Großspurig als „Kampf gegen Rechts“ angekündigt, wurde 2020 in diesem Sinne der Paragraph 51 der Abgabenordnung geändert. So kann seitdem allein die Nennung (!) in einem Landesverfassungsschutzbericht als „extremistisch“ dazu führen, dass eine Organisation ihre Gemeinnützigkeit und damit finanzielle Förderungen verliert. Schreibtischtäter der jeweiligen Behörde legen dann juristisch ungeprüft – auf der Basis reiner Gesinnungsschnüffelei – fest, wer als gemeinnützig gilt und wer nicht.

So traf es in Nürnberg nun die Kulturvereinigung „Dialog der Kulturen e. V.“, der eine öffentliche Bewerbung linker Veranstaltungen in ihren Räumlichkeiten zum Verhängnis wurde. Der bayrische Verfassungsschutz wandte sich an das Nürnberger Zentralfinanzamt, um den Verein zu denunzieren, die Stadt Nürnberg entzog dem Verein prompt die Förderung. Bereits zuvor hatte die als „links“ geltende Veranstaltungslocation „z-Bau“ der SDAJ die Räumlichkeiten für ihren Bundeskongress verweigert. Selbst als die DKP nur eine städtische Turnhalle anmieten wollte, wurde ihr dies mit Verweis auf die Nennung im Verfassungsschutzbericht verweigert.

Umso wichtiger bleibt vor dem Hintergrund all dessen unsere Solidarität. So ist auch die gemeinsame Party in Nürnberg zum diesjährigen Tag der Befreiung am 8. Mai zu sehen: Rote Hilfe, SDAJ, DKP, Gewerkschaftsmitglieder, VVN, die Falken und autonome Gruppen Nürnberg feierten gemeinsam bis in die Morgenstunden. Sie setzten Solidarität gegen Repression, und waren mit dem – auch finanziellen – Ergebnis der Feier sehr zufrieden.

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"Robo-Cops und Schreibtischtäter", UZ vom 24. Mai 2024



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