In Venezuela soll noch vor dem 1. Mai entschieden werden, ob Nicolás Maduro auch in den kommenden sechs Jahren Präsident des südamerikanischen Landes bleibt. Die Verfassunggebende Versammlung beschloss am 23. Januar die Einberufung der Präsidentschaftswahlen bis „spätestens zum 30. April“. Damit findet die Abstimmung rund ein halbes Jahr vor dem regulären Ende von Maduros Amtszeit statt. Das Vorziehen begründete Diosdado Cabello, der Vizechef der regierenden Vereinten Sozialistischen Partei Venezuelas (PSUV), mit den am Tag zuvor von der Europäischen Union gegen das Land verhängten Strafmaßnahmen. „Je mehr Sanktionen sie verhängen, desto mehr Wahlen führen wir durch“, erklärte er.
Schon in den vergangenen Wochen war in Venezuela allgemein davon ausgegangen worden, dass die Wahlen vorgezogen werden würden. Der genaue Termin war offenbar Gegenstand der Verhandlungen zwischen Vertretern von Regierung und Opposition in der Dominikanischen Republik. Diese waren am 18. Januar jedoch vorläufig gescheitert, weil die Regierungsgegner nicht zu den Gesprächen erschienen.
Durch den vorgezogenen Termin will das Regierungslager die aktuelle Schwäche der intern zersplitterten Opposition ausnutzen. Derzeit erscheint es wenig wahrscheinlich, dass sich die Rechtsparteien rechtzeitig auf einen gemeinsamen Kandidaten einigen können. Eine ganze Reihe ihrer Politiker sieht sich schon als künftiger Staatschef, während andere erneut die Wahlen boykottieren wollen.
Die PSUV ihrerseits will am 4. Februar Maduro als ihren Kandidaten nominieren und hat dazu auch die verbündeten Parteien zu einem „Kongress des Heimatlandes“ in Caracas eingeladen. Die Kommunistische Partei Venezuelas (PCV) hat aber bereits angekündigt, zunächst bei einer Nationalkonferenz zu entscheiden, ob sie Maduro erneut unterstützen oder mit einem eigenen Kandidaten ins Rennen gehen will. In den vergangenen Monaten hatten sich die Meinungsverschiedenheiten zwischen den Bündnispartnern zugespitzt. Die Kommunisten fordern radikale Maßnahmen gegen die Hyperinflation und Warenverknappung und lehnen Abkommen mit dem rechten Lager ab.
Die meisten Meinungsumfragen prognostizieren dem Oppositionsbündnis MUD (Tisch der demokratischen Einheit) einen haushohen Vorsprung gegenüber der PSUV und ihren Verbündeten. Bei einem genaueren Blick zeigt sich jedoch, dass das Rennen noch nicht entschieden ist. So sah das Institut Datincorp am 11. Januar Maduro bei 19 Prozent und damit klar vor den bisherigen Oppositionsführern Leopoldo López mit 9 und Henrique Capriles Radonski mit 2 Prozent. In Front lag in dieser Prognose allerdings ein neuer Aspirant: Lorenzo Mendoza käme demnach auf 40 Prozent.
Mendoza ist der Eigentümer des Lebensmittelmultis Polar, der in Venezuela eine Monopolstellung bei der Versorgung u. a. mit Maismehl und Erfrischungsgetränken einnimmt. Zwar hat er bislang nicht offiziell erklärt, sich um die Präsidentschaft bewerben zu wollen, doch de facto hat sein Wahlkampf schon begonnen. Er präsentiert sich als ein „Macher“, dem es in den vergangenen Jahren gelungen sei, seinen Konzern durch die Krise zu steuern. Offenbar verfängt bei vielen Menschen die Hoffnung, dass ihm dies dann auch mit dem ganzen Land gelingen könnte. Allerdings ist Mendoza selbst mitverantwortlich für die Probleme, denn auch Polar ist aktiv an der Warenverknappung und Preissteigerungen beteiligt.
Die Kommunisten verlangen deshalb die Enteignung Mendozas und die Nationalisierung aller Nahrungsmittel- und Handelsunternehmen des Landes. Vor einem solchen Schritt schrecken Maduro und seine Regierung jedoch bisher zurück. Stattdessen versuchen sie, die Unternehmer mit Krediten und der Zuteilung von Devisen zu Vorzugskursen zu besänftigen.
Der Oberste Gerichtshof (TSJ) hat unterdessen am 26. Januar die Zulassung der MUD zu den Präsidentschaftswahlen untersagt. Die Oppositionsallianz sei von mehreren anderen Parteien gegründet worden, die ihre Registrierung allerdings gleichzeitig aufrechterhalten hätten. Damit verstoße die MUD gegen das gesetzliche Verbot der doppelten Parteimitgliedschaft.
So sind die Oppositionsparteien gezwungen, mit eigenen Listen zur Wahl anzutreten. Trotzdem könnten sie sich auf einen gemeinsamen Kandidaten einigen, die Stimmen der einzelnen Parteien würden dann zusammengezählt. So halten es auch die Linksparteien, die immer mit einzelnen Listen angetreten sind. Für die MUD würden die Parallelkandidaturen aber bedeuten, dass deutlich würde, wie viel Unterstützung die einzelnen Parteien bei den Wählern genießen. Das könnte die fragile Ämterverteilung im Bündnis in Frage stellen.
Nach den Buchstaben der venezolanischen Parteiengesetze ist die Entscheidung des TSJ nachvollziehbar – der Zeitpunkt ist jedoch auffällig. Bereits bei den Parlamentswahlen 2015 hatten die Oppositionsparteien gemeinsam unter dem Label MUD kandidiert, ohne dass die Richter etwas dagegen einzuwenden hatten. So sieht das Urteil eher nach einem bewussten Manöver aus, um die Spaltungstendenzen im rechten Lager zu befördern.