Rezession überwinden

Von Enrique Herrera, Managua

Während der offiziellen Gedenkfeier zum 85. Jahrestag der Ermordung des Freiheitskämpfers Augusto César Sandino kündigte Nicaraguas Präsident Daniel Ortega den Beginn von Verhandlungen zur Überwindung der innenpolitischen Spannungen und der Wirtschaftsrezession an. Fünf Tage zuvor hatte es auf Wunsch von fünf Großunternehmern und Bankiers ein erstes Sondierungsgespräch gegeben. Daran beteiligt waren auch Vertreter der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), Kardinal Leopoldo Brenes und der Vatikan-Botschafter Waldemar Stanislaw Sommertag. „Wir bemühen uns um einen Verhandlungsbeginn am 27. Februar“, erklärte Ortega und vermied den Begriff Dialog. Ob die katholische Kirche bei den Verhandlungen eine offizielle Rolle spielen wird, war zunächst noch unbekannt.

Die Initiative einflussreicher Wirtschaftsvertreter für Verhandlungen mit der Regierung zeigt, dass sie – entgegen den großmäuligen Ankündigungen des Zuckerrohr-Unternehmers Michael Healy im Vorjahr – nicht bereit sind, jeden Preis in Form von Profiteinbußen zu zahlen, um Präsident Ortega durch eine absichtlichen Zerrüttung der Wirtschaft zu stürzen. Radio Sandino berichtete, Wirtschaftsbosse, denen der Unternehmerverband COSEP zu leichtgewichtig ist, wären durch eine diskrete Umfrage, bei der die FSLN 36 Prozent und Daniel Ortega 44 Prozent Unterstützung bekamen, vom Nutzen einer Verhandlungssondierung überzeugt worden. Die Parlamentsanhörungen über eine Steuerreform mit höheren Steuervorauszahlungen für Großunternehmen sowie die Diskussion zur Anpassung des Mindestlohns wurden bisher vom COSEP boykottiert, was nicht allen Unternehmern gefällt. Trotz des Boykotts der Unternehmer hat die Regierung jüngst Reformmaßnahmen für die Sozialversicherung INSS beschlossen, die fast genau denen entsprechen, die im April 2018 als Vorwand für gewalttätige Proteste dienten und vom COSEP wegen zu geringer sozialer Einschnitte abgelehnt worden waren.

Die Mitwirkung der OAS, von Fidel Castro als „Kolonialministerium der USA“ verachtet, war von der Regierung Nicaraguas im letzten Jahr wegen Parteinahme für die Putschisten, manipulierter Opferzahlen und Ineffizienz für beendet erklärt worden. Seither versuchte die USA-hörige Gruppe, Nicaragua international zu isolieren, so wie sie es mit Venezuela tun. Sollte die OAS bei Verhandlungen in Nicaragua mit am Tisch sitzen, wäre das eher ein Schritt gegen diese Isolationspolitik, weniger eine Schwächung der Position Nicaraguas.

Das Internet-Bulletin „Portalba“ zitierte US-Sicherheitsberater John Bolton mit den Worten „Venezuela, Nicaragua und Kuba sind die Troika der Tyrannei“, und wenn die USA mit Venezuela fertig wären, kämen die anderen beiden dran. In einem Tweet empörte sich Bolton über die Verurteilung von angeblichen „Bauernführern wegen Teilnahmen an Protesten“ zu mehreren hundert Jahren Gefängnis. Unter ihnen befindet sich der kommunalpolitische Aktivist Medardo Mairena der Liberal-Konstitutionellen Partei PLC, der zu 216 Jahren verurteilt wurde. In Nicaragua ist allerdings jede Gefängnishaft nach 30 Jahren gesetzlich beendet. Sein „Protest“ bestand laut Gericht unter anderem in der führenden Beteiligung an der Ermordung von fünf Polizisten in Morrito im Südosten Nicaraguas während der Straßenblockaden Mitte letzten Jahres. Mairena war als Vertreter der Alianza Civica mit für das Scheitern des „Nationalen Dialogs“ im letzten Jahres verantwortlich, weil er sich weigerte, die mörderischen Straßenblockaden in der Region Rio San Juan zu beenden. Er gehörte zur Führung der Kanalbau-Gegner, die über Nichtregierungsorganisationen mit Hilfsgeldern aus den USA und Europa unterstützt werden.

Wer historische Ähnlichkeiten zu sehen meint, irrt nicht: 1909 stürzten die USA mit einer Militärinvasion den „Tyrannen“ Zelaya, der mit Deutschland und Japan über die Finanzierung eines Kanalbaus verhandelt hatte, und zwangen Nicaragua 1914 einen Vertrag auf, der den USA die Kanalbaurechte sicherte. Die Besetzung Nicaraguas endete erst durch den Kampf Sandinos 1926 bis 1933 gegen die US-Marines. Deshalb ließen die USA Sandino am 21. Februar 1934 ermorden.

Nichtregierungsorganisationen und Medien in Nicaragua erhalten seit vielen Jahren von der Entwicklungsagentur USAID des US-Außenministeriums oder über Dritte Gelder in Millionenhöhe für politische oder publizistische Bildung und Projekte. Einige von ihnen wurden zu Propagandisten und Helfern der Putschisten. Deshalb erkannte ihnen das Parlament im letzten Dezember die Rechtskörperschaft ab. Grundlage der Aberkennung ist ein Gesetz der Regierung Barrios de Chamorro von 1992, das diese Sanktion vorsieht, wenn eine NRO die öffentliche Ordnung und Gesetze verletzt oder gegen ihre Satzung handelt. Damit sollten damals solche Aktionen seitens der FSLN nahestehender Organisationen verhindert werden, zu denen es allerdings niemals kam. Im Dezember wurden auch der TV-Direktor Miguel Mora und seine Nachrichtenredakteurin Lucía Pineda des Senders „100% Noticias“ wegen Anstiftung zum Hass, Konspiration und Terrorismus verhaftet und schuldig gesprochen. Die Urteile stehen noch aus.

Die FSLN berief eine dreitägige Konferenz linker Parteien aller Länder Zentralamerikas, aus Kuba, Venezuela, Mexiko, Panama, der Dominikanischen Republik und der irischen Sinn Fein in Managua ein, bei der die Situation in Venezuela im Mittelpunkt stand.

Die Internetzeitung „Barricada“ zitiert Jacinto Suarez von der gastgebenden FSLN: „In Venezuela findet der Kampf für die Menschheit, für Lateinamerika, zwischen Freiheit und Unterdrückung statt.“

In der Abschlusserklärung werden „alle der imperialistischen Hegemonie entgegengesetzten politischen Kräfte und sozialen Bewegungen der Welt“ aufgerufen, „den Kampf gegen kriegerische Aktionen, die unsere Völker mit Massenmord, Zerstörung und Ausplünderung bedrohen“, zu verstärken.

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"Rezession überwinden", UZ vom 1. März 2019



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